Bildung

Sorgenkind Sommerkind

Viele Kinder werden jetzt im Sommer sechs. Für alle, die bis zum 31. August ihr sechstes Lebensjahr vollenden, beginnt im September die Schule. Sommerkinder drücken dann oft mit Kindern die Schulbank, die mitunter fünf, neun oder sogar knapp zwölf Monate älter sind als sie. Mit welchen möglichen Nachteilen für die schulische Laufbahn?

Kaum jemand würde im Kindergarten auf die Idee kommen, Kinder mit mehreren Monaten Altersunterschied über einen Kamm zu scheren. Denn Fakt ist: In nur wenigen Monaten tut sich in der Entwicklung oft enorm viel. Nicht umsonst wird Kindern im Kindergarten die ganze Bandbreite an Spiel- und Lernmöglichkeiten geboten, damit sich jedes Kind gemäß seinem individuellen Tempo entfalten kann.

Anders bei Schulkindern. Für jedes Kind, das in Österreich bis zum 1. September eines Jahres seinen sechsten Geburtstag absolviert, heißt es ab in die Schule und somit Lernen nach Lehrplan. Mit Lernanforderungen, die im Grunde für alle Eingeschulten gleichermaßen gelten. Ungeachtet dessen, ob das Schulkind bereits im Herbst des Vorjahres sechs geworden ist, oder – so wie es bei den so genannten Sommerkindern der Fall ist – gar erst wenige Wochen vor Schulbeginn. Herbstkinder, also alle die nach dem 1. September sechs werden, bleiben in der Regel weiterhin im Kindergarten. Zwar wird seitens Eltern und Pädagogen berichtet, dass sich diese älteren Kindergartenkinder dort oft ein bisschen langweilen, die meisten würden aber die tatsächliche Chance für die Kinder schätzen, noch ausreichend Zeit zu haben – oft bis zu einem Dreivierteljahr –, um für schulische Anforderungen bereit zu werden. Es liegt auf der Hand, dass Sommerkindern angesichts der oft sehr knappen Zeitspanne zwischen Geburtstag und Schule dazu weniger Zeit bleibt. Verständlich also, dass betroffene Eltern oft sorgvoll gegen den Herbst blicken. Wie wird es ihrem Klassenküken in der Schule ergehen? Wird es mit dem Lernstoff mitkommen oder überfordert sein?

Nachteile für jünger Eingeschulte – vor allem bei „Sommer-Buben“

Die bisherige Forschung legt in vielen Studien nahe, dass zwischen den Erstklässlern, die ab September geboren sind und denen, die im August Geburtstag feiern, ein deutlicher Entwicklungsunterschied bestehen kann. Demnach würden schulische „Laufbahnprobleme“ oft wesentlich vom Einschulungsalter abhängen. Mitunter könne gar die Rede von einer systematischen Benachteiligung sein. Jüngere Schüler sind gemäß einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung ihren älteren Klassenkameraden in Mathe, beim Schreiben und Lesen unterlegen – meist über die ersten Klassen hinaus. Sie werden häufiger gemobbt, sind eher von einem belastenden Schulstart geplagt und seien aufgrund des Widerspruchs zwischen ihrem Entwicklungsstand und den schulischen Anforderungen oftmals unglücklicher. Auch würden zu jung Eingeschulte seltener aufs Gymnasium wechseln. „Das Risiko, eine Klasse zu wiederholen, ist bei Kindern, die in den Sommermonaten geboren wurden, höher als bei jenen, die im Herbst geboren sind“, weiß Entwicklungs- und Lernpsychologin Luise Hollerer. Besonders betroffen seien laut der Leiterin des Grazer „Kompetenzzentrum Übergang Kindergarten-Schule“ jüngere Buben, die zwischen Mai bis August geboren wurden. Auf spätere Bildungsabschlüsse und Karrierelaufbahnen hingegen wirke sich das Einschulungsalter jedoch nicht aus – schlussendlich studieren die jüngeren genauso häufig wie ihre älteren Mitschüler. Letzteres mag zwar beruhigend klingen, im nervenaufreibenden Schulalltag hilft es betroffenen Familien wohl kaum weiter. Wen interessiert, dass das Kind später kein Lohngefälle zu seiner älteren Mitschülerin zu befürchten hat, wenn womöglich weitere, zermürbende Schuljahre vor ihm liegen, in denen es dem Stoff hinterher hechelt?

Individualisierte Leistungsanforderungen

Kein Wunder also, dass Psychologen immer wieder darauf hinweisen, dass der Lehrplan auf die unterschiedlichen Entwicklungskurven der Kinder stärker Bezug nehmen sollte, etwa durch offene Eingangsstufen und individualisierte Leistungsanforderungen. Zum Beispiel mit Mehrstufenklassen, flexiblen Lernhilfen- und Wegen sowie unter Berücksichtigung verschiedener Arbeitsrhythmen oder durch Bildung von Lerngruppen mit vergleichbaren Lernvoraussetzungen. Immerhin kommt der Gesetzgeber der Heterogenität der Schüler insofern entgegen: In Österreich hat jedes Kind bei Bedarf das Recht, die „Grundstufe eins“, also den Stoff der ersten beiden Klassen, innerhalb von drei Jahren zu absolvieren. Wie und ob nötigenfalls auf unterschiedliche Lerntempi flexibel eingegangen wird, ist Sache der Schule – also stets abhängig von spezifischen Rahmenbedingungen und natürlich vom Vermögen und den Ressourcen einzelner Pädagogen.

Das sagen Eltern über das Einschulungsalter ihrer Kinder:

Michael L., Papa von David (5)
ist im letzten Kindergartenjahr

David hat Anfang September Geburtstag, er wird heuer sechs. Für uns war schon letztes Jahr klar, dass er noch ein Jahr in den Kindergarten gehen soll. Sowohl kognitiv, motorisch als auch vom Sozialen her wäre er vielleicht schon bereit für die Schule. Aber er ist noch sehr verspielt, leicht ablenkbar und nicht wirklich imstande, sich länger auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Wir glauben nicht, dass er sich im Kindergarten langweilen wird und hoffen, dass er sich als einer der Älteren in der Schulklasse dann umso leichter tut.

Sandra K., Mama von Emil (6) –
geht in die 1. Klasse

Unser Größter ist im August sechs geworden und wir hatten schon im Vorfeld Bedenken, was den Schulstart betrifft. Am Anfang hat er sich noch recht leicht getan, dann gab es schon immer wieder Probleme mit der Konzentration. Emil wird schnell müde und ich merke, dass er sich für das gleiche Arbeitspensum viel mehr anstrengen muss als die meisten seiner Mitschüler – manche sind ja fast ein Jahr älter als er. Ich bin überzeugt davon, dass die Schule für uns alle weniger belastend wäre, wenn er später eingeschult worden wäre.

Manuel U., Papa von Sarah (6) –
besucht die 2. Klasse

Sarah wurde mit fünf eingeschult. Sie hat Ende Oktober Geburtstag. Lerntechnisch war es bis jetzt kein Problem. Sie war schon zuvor im Kindergarten kognitiv recht weit für ihr Alter und wollte unbedingt in die Schule. Trotzdem bereitete ihr manches Sorgen: Sie war lange Zeit die Einzige, die noch keinen Zahn verloren hatte. Außerdem kamen ihr die Mitschüler oft teils gewiefter vor. Trotzdem glauben wir, dass ein weiteres Kindergartenjahr für sie schlimm gewesen wäre. Also sind wir froh über unsere Entscheidung.

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