Bildung

Tipps fürs Lernen daheim – Experten-Interview

Daheim lernen - vor dieser Herausforderung stehen österreichische Schülerinnen und Schüler gerade. familiii hat nachgefragt, wie Eltern ihre Kinder jetzt beim Lernen unterstützen können.

Die Pädagoginnen Verena Müller und Erika Stoifl haben gemeinsam mit Illustratorin Cornelia Seelmann die Deutsch-Bände der neuen Lernhilfe-Reihe „Lernen mit Teo und Tia“ verfasst. Diese sind dazu gedacht, in der Schule Erlerntes daheim zu vertiefen. Daheim lernen – wie geht das eigentlich? Wir haben bei den beiden Lehrerinnen nachgefragt.

Wie sollen Eltern von Volksschülern, Schülern der NMS und AHS-Unterstufe die nächsten Wochen in Hinblick auf das Lernen am besten angehen? Was ist hier für Volksschüler besonders wichtig und was für Schüler der NMS und AHS-Unterstufe?

Erika Stoifl:
Ich gehe davon aus, dass es für alle Schülerinnen und Schüler wichtig ist, dass sie während dieser Wochen regelmäßig etwas für die Schule erledigen. Schule sollte ihren Stellenwert, den sie im Alltagsleben hat, nicht verlieren. Die Eltern werden nun vor die Aufgabe gestellt, dieses tägliche Lernen von ihren Kindern einzufordern.

Verena Müller:
Die Ereignisse und grundlegenden Veränderungen erschüttern uns und unsere gewohnte Tagesgestaltung. Meistens waren die einzelnen Tage mit Aktivitäten und Programmpunkten vollgepflastert und jeder Tag war zu kurz. Nun tritt das Gegenteil ein. Die Kinder sind vormittags, anstatt in der Schule, zu Hause. Auch Nachmittagsveranstaltungen und Besuche bei Freunden fallen weg. Es ist übermäßig viel Zeit da, welche nun sinnvoll und freudvoll gefüllt werden soll. Jetzt muss zuerst einmal eine neue Tagesstruktur gefunden werden und das tägliche schulische Lernen braucht dabei einen fixen Platz.

Was sollte bzw. muss geübt werden? Und wie viel Zeit sollten die Kinder dafür täglich aufwenden?

Erika Stoifl:
Die Pädagoginnen und Pädagogen haben die Aufgabe, den Kindern den Übungs- und Vertiefungsstoff über eine Lernplattform oder in sonst einer Weise zur Verfügung zu stellen. Hier wäre es wichtig, dass die Kinder das auch erledigen, damit keine allzu großen Lücken entstehen und trotz der äußerst befremdenden Situation ein Stück Schulalltag in Form des selbständigen Lernens beibehalten werden kann. Die hierfür vorhergesehene Zeit ist wahrscheinlich für jedes Kind ganz individuell.

Verena Müller:
Alle Inhalte, die das Kind im Schulunterricht bereits gelernt hat, können wiederholt und gefestigt werden. Da könnte schon sehr viel und intensiv geübt werden und ein wertvoller Polster für neue Inhalte geschafft werden. Etwas gut zu können, schafft Kapazitäten für anderes. Auf keinen Fall ist für die Pflichtschulkinder vorgesehen, dass neue schulische Inhalte selbständig erarbeitet werden müssen. Viele Eltern und Kinder dürfen darauf vertrauen und hoffen, dass ihre Lehrperson dafür die geeignetsten Übungen auswählt und an die Eltern und Kinder weiterleitet.

Der tägliche Schulunterricht umfasst zumeist vier bis fünf Unterrichtsstunden. Selbstverständlich lernen die Kinder in der Schule nicht die ganze Zeit hoch angestrengt. Jeder Schultag wird aufgelockert mit Bewegungseinheiten und kreativen Einheiten. Zu Hause jedoch vier bis fünf Stunden zu lernen, ist unrealistisch und wahrscheinlich auch nicht wünschenswert. Effizientes und konzentriertes Lernen kann weniger Zeit brauchen. Wichtig ist aber wie im Unterricht der Schule, dass das Lernen zu Hause mit freudvollen, kreativen und bewegungsreichen Möglichkeiten und Erholungsphasen abwechslungsreich gestaltet wird und dass überhaupt gelernt wird.

Familien bzw. Schulkinder bekommen auf einmal die ungewohnte Freiheit, Lernen teilweise selbst zu gestalten, zumindest sich die Lernzeiten selbst einzuteilen. Mit dieser Freiheit umgehen zu lernen, ist vielleicht die größte Motivation für die Eltern und die Kinder.

Verena Müller

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Wie kann man die Kinder motivieren? (Es wird sicher eine große Umstellung sein nicht mehr gemeinsam mit den Freunden zu lernen und diese auch wochenlang nicht zu sehen – außer vielleicht über Skype oder ähnliches.)

Erika Stoifl:
Eine Möglichkeit sehe ich in einer gleichbleibenden, täglichen Tagesordnung. Z. B.: Wenn das Kind gelernt hat, darf es sich danach mit einem Freund/einer Freundin auch telefonisch oder sonst irgendwie austauschen. Das hat vielleicht auch etwas von Schule: Zuerst wird gelernt und dann in der Pause wird kommuniziert.

Verena Müller:
Lernen in sozialen Gruppen ist für die meisten Kinder sehr bereichernd und motivierend. Jedes Kind trägt zum Lernen etwas bei. Viele Kinder bringen ihr unterschiedliches Wissen in die Gruppe, dieses wird aufgenommen, ergänzt und erweitert, vielleicht auch „korrigiert“. Kinder, die in diesen Bereichen, noch nicht so viel wissen, kommen mit den Ideen, Gedanken, Wissen ihrer Schulkameraden in Kontakt und können eine Grundlage aufbauen. Oft merken die Kinder in vielen solchen Situationen gar nicht, dass sie lernen. Dieses gemeinsame Lernen und Bereichern pausiert jetzt. Leider. Eine große Herausforderung kommt auf die Familien und Schulkinder zu. Lernen zu Hause!? Gerade in Notzeiten dürfen und müssen wir alle wieder mehr Verantwortung für uns und unsere Nächsten übernehmen. Familien bzw. Schulkinder bekommen auf einmal die ungewohnte Freiheit, Lernen teilweise selbst zu gestalten, zumindest sich die Lernzeiten selbst einzuteilen. Mit dieser Freiheit umgehen zu lernen, ist vielleicht die größte Motivation für die Eltern und die Kinder.

Im Bezug auf das Lernen daheim: Was sind Do’s und Dont’s für die Eltern?

Erika Stoifl:
Man sollte sich nicht allzu viel von den häuslichen Lernstunden erwarten. Eltern, die hier sehr hohe Anforderung haben, setzen sich selbst und auch ihr Kind unter Druck. Das ist kontraproduktiv. Es gibt aber sicherlich auch Kinder, die zuhause gerne und freiwillig lernen. Mit einigen Kindern wird die Sache mit dem Lernen zuhause wahrscheinlich nicht ganz so einfach. Geduld und Gelassenheit von Seiten der Eltern wäre wichtig. Und auch ein aufrichtiges Lob, wenn eine Aufgabe gut erledigt wurde.

Verena Müller:
Eltern können ihre Kinder beim Lernen unterstützen. Sie kennen ihr Kind am besten und wissen, ob ihr Kind zum Lernen Zuspruch, eine transparente Struktur, besondere Vereinbarungen oder Belohnungssysteme braucht oder einfach nur das Wissen, dass jemand da ist, den man fragen kann oder der Hilfe gibt. Ein gesundes Interesse am schulischen Lernen ihres Kindes zeigen und haben, ist bestimmt sehr förderlich in dieser aktuellen Situation. Daraus ergibt sich für mich ein „Don`t“: ein „Schlechtreden“ (und Kinder haben sehr feine Ohren gerade bei Unausgesprochenem), dass Kinder jetzt zu Hause lernen müssen bzw. ein „Schlechtreden“ der Inhalte und Übungen, die die Lehrperson vorgegeben hat, bringt niemanden weiter.

Vielleicht wollen sie ein Ostergedicht schreiben, eine Schatzkarte für eine Schatzsuche im Kinderzimmer gestalten oder eine Geschichte für die Hauskatze erfinden und ihr vorlesen.

Erika Stoifl (auf die Frage wie man Deutsch in den Alltag einbauen kann)

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Haben Sie vielleicht Tipps, wie man den Deutsch-Stoff in den Alltag einbauen kann?

Erika Stoifl:
Deutsch ist im Alltag überall vorhanden: Beim Sprechen, beim Denken, beim Fernsehen, beim Chatten, beim Singen. Zusätzlich können die Kinder noch Mails an die Freundinnen und Freunde schreiben, oder einen Brief an die Oma. Vielleicht wollen sie ein Ostergedicht schreiben, eine Schatzkarte für eine Schatzsuche im Kinderzimmer gestalten oder eine Geschichte für die Hauskatze erfinden und ihr vorlesen.

Verena Müller:
Übungen im Alltag für den Deutschbereich sind wahrscheinlich in unseren Köpfen gar nicht so präsent. Aber eigentlich gibt es unzählig viele:

Ein Tipp zum Lesen wäre beispielsweise mit den Kindern über das Gelesene reden. Inhalte aus dem Text können aufgegriffen, besprochen und in weiterer Folge weitergedacht und weitergesponnen werden. „Über Gott und die Welt“ könnte so geredet, gelacht und diskutiert werden.

Briefe, Mails und andere Nachrichten an die Großeltern, den Nachbarn oder andere wichtige Personen könnten Kinder öfters schreiben. Da die momentane Situation so herausfordernd ist, bietet sich auch das Führen eines Tagebuches an. Das Kind könnte dabei nicht nur aktuelle Sorgen und Gedanken festhalten und vielleicht dadurch auch besser verarbeiten, sondern sich später wieder in Erinnerung rufen. Schreiben soll auch Spaß machen und Kreativität wecken. Gedichte, die sich reimen, wie auch Elfchen, Haikus oder Rondelle und vieles andere mehr könnten Kinder verfassen.

Für kleinere Kinder sind die Sprachspielereien, die unsere Großeltern vielleicht noch mit uns gespielt haben, einfache und unkomplizierte Möglichkeiten, die nur Zeit brauchen, keinen Vorbereitungsaufwand mit sich bringen und unglaublich effektiv sind: Übungen zum Reimen, zum Silbenklatschen fallen den meisten von uns bestimmt noch dazu ein oder Anfangsbuchstaben heraushören.

Sollen auch die Eltern von über 14-jährigen Schülern mit ihren Kindern lernen? Ist es vorgesehen, dass über-14-Jährige sich den Stoff selbst erarbeiten? Wie können die Eltern ihre Kinder unterstützen?

Erika Stoifl:
Ich sehe es so, dass der Stoff für die größeren Schülerinnen und Schüler so zusammengestellt werden sollte, dass diese in der Lage sind, ihn allein zu bewältigen. Die Aufgabe der Eltern sehe ich darin, dass sie schauen, ob ihr Kind auch etwas macht und dass sie versuchen, ihr Kind zum regelmäßigen Lernen anzuhalten. Ich kann mir gut vorstellen, dass das für viele Eltern und für viele Kinder eine große Herausforderung sein wird.

Verena Müller:
Kinder in diesem Alter sammeln wichtige Erfahrungen Wege in die Selbständigkeit und in das eigenverantwortliche Leben und Lernen zu meistern. Ja, darin können Eltern ihre Kinder ermuntern, ermutigen, begleiten und stützen. Lernen (für die Schule) müssen Kinder selbst.

Meiner Meinung nach kann es aber nicht vorgesehen sein, dass Kinder der Sekundarstufe sich den Stoff gänzlich selbst erarbeiten. Wenn das gelänge, könnten wir Schule und ihren Unterricht neu denken (was jedoch nicht heißt, dass Kinder sich Inhalte nicht selbst erarbeiten können.). Kinder der Sekundarstufe können aber Inhalte üben, wiederholen, festigen und vertiefen, ebenso Inhalte weiterdenken und weiterentwickeln. Jugendliche können ebenso beim Üben und Wiederholen in Einbahnstraßen und Sackgassen landen oder auf Irrwege gelangen. Daher ist auch für diese Altersstufe der Lernbegleiter von großer Bedeutung. Jugendliche brauchen ebenso Anregungen und Impulse oder Aufmunterungen und Bestätigungen oder einfach Unterstützung. Darin können Eltern ihre Kinder unterstützen.

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