Ernährung

Warum gemeinsam essen die Familie stärkt

Ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen: Das regelmäßige gemeinsame Essen sollte nicht ausgelassen werden. Eltern und Kinder erzählen, wie bei ihnen dieses Ritual aussieht, das seit Urzeiten die Sippe zusammenhält.

Gemeinsam essen stärkt die Familie

So banal es klingen mag: Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten sind längst nicht mehr selbstverständlich, man könnte sogar sagen, sie sind zum Luxus geworden. Jeder verlässt morgens zu einer anderen Zeit das Haus, und abends kommt einer nach dem anderen wieder heim. Wie sollen sich da gemeinsame Mahlzeiten ausgehen? Viele Eltern sind sich dessen nur allzu bewusst und würden nichts lieber tun, als täglich in aller Eintracht zusammen essen. Doch auf der anderen Seite sind immer mehr Mütter und Väter selber ohne gemeinsame Mahlzeiten aufgewachsen und wissen kaum, was ihnen und ihren Kindern entgeht.

Gemeinsam essen macht Familie stark, …

… lautet der Untertitel von Jesper Juuls Buch „Was gibt’s heute?“. Eine gelungene Ess-Tradition steht stellvertretend für vieles andere im (späteren) Leben, wenn es um Zusammenarbeit und Zusammenleben geht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Familie lediglich aus einem Mutter-Kind-Duo besteht oder aus 17 Mitgliedern aus drei Generationen. Die gemeinsamen Mahlzeiten schweißen die Gemeinschaft zusammen, sie machen Spaß, sind identitätsstiftend und bereichern ganz einfach das Zusammenleben.

Cornelia Walz und ihre Familie können das nur bestätigen. „Das gemeinsame Kochen und Essen macht uns Spaß, und die Kinder helfen immer mehr, je älter sie werden“, sagt Papa Walz. Die neunjährige Pauline beschreibt ihre tägliche Morgenroutine und betont: „Egal, was los ist, meine Schwester und ich frühstücken immer zusammen.“ Sie und die elfjährige Marlene helfen auch bei der Menüplanung. Niemand soll essen, was ihm nicht schmeckt. Wird aber etwas Neues serviert, muss man zumindest einmal kosten, das ist oberstes Gebot. Und wenn die Eltern es dann auch nicht persönlich nehmen, wenn ihr Kind etwas von ihnen Gekochtes ablehnt, kann das Kind ganz unbefangen seiner Intuition beim Essen folgen – die Basis für ein gesundes Gespür für Hunger und Sättigung, Stichwort Übergewicht.

Eine Frage der Priorität

Auch im Hause Walz sind fast alle Tage der Woche verplant, aber auf das gemeinsame Abendessen wollen weder Eltern noch Kinder verzichten. Alle helfen zusammen. Die Eltern erledigen den wöchentlichen Großeinkauf, und wenn dann für den Abend noch etwas fehlt, holt es Pauline auch alleine vom nahegelegenen Supermarkt. Sie ist eine leidenschaftliche Köchin und hat ihre eigenen Kinderkochbücher, während Marlene lieber bäckt. Sie ist eine versierte Muffin-Dekorateurin.
Um genug Aufmerksamkeit für das Essen und die Familie zu haben, aber auch um das Sattwerden nicht zu verpassen, ist Fernsehen während der Mahlzeiten ein No-Go. Ebenso sollte natürlich die Benützung von Handys bei Tisch eine Ausnahme bleiben.

Tischmanieren – Schnee von gestern?

Leider wirken die Dogmen früherer Generationen in den Köpfen vieler Eltern noch nach, indem sie ins Gegenteil verkehrt werden. Viele hatten sich als Kind bei Tisch manierlich zu benehmen, durften nicht mit vollem Mund oder gar nicht sprechen, hatten gerade zu sitzen, mussten dieses tun und jenes lassen. Solche Zwänge haben dazu geführt, dass Eltern – in der Hoffnung auf ein zwangloses, harmonisches Miteinander – bei ihren eigenen Kindern jegliche Tischsitten abgeschafft haben.

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul beklagt, dass viele Eltern mit der alten Strenge auch gleichzeitig ihre Führer-Rolle abgeben, um ihrem Kind möglichst viele Wünsche zu erfüllen. Doch das Fehlen der elterlichen Führung tut auf lange Sicht mehr weh als ein paar sinnvolle Regeln.

Familie Walz legt zum Beispiel Wert darauf, das Essen und auch die einzelnen Gänge gleichzeitig zu beginnen. Wer fertig ist und gehen will, meldet sich kurz ab. Auch für Eltern gelten Regeln. So sind Diskussionen über die Ernährungserziehung bei Tisch ebenso verboten wie ständiges Beobachten und Kontrollieren der Kinder. Sobald ein Kind alleine auf einem Sessel sitzen kann, gliedert es sich in die Runde ein, und die Eltern können und sollen sich wieder mehr um sich selbst und den Rest der Familie kümmern.

Was macht ein gutes Familienessen aus?

Natürlich ist gesunde Ernährung wichtig, zum Ritual des gemeinsamen Essens gehört aber noch viel mehr: Es beinhaltet zum Beispiel Ästhetik, Genuss, Sorgfalt, Geborgenheit, Wertschätzung, Zeit, Aufmerksamkeit, Gemeinschaft. Das Wichtigste aber ist die Stimmung bei Tisch.

Anspannung und unausgesprochene Konflikte schlagen auf den Magen. Der Fachbegriff dafür ist Mealtime Emotional Climate (MEC), das emotionale Klima bei der Mahlzeit. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich Vorschulkinder in einem heiteren Ambiente gesünder ernähren. Oft sind die Ursachen dafür, dass Kinder „schlechte Esser“ sind, in ganz anderen Bereichen zu suchen. Das kindliche Essverhalten ist nur Ausdruck dessen, wie man zu einander steht. Zusammen zu kochen und zu essen, bietet eine unschätzbare Gelegenheit, sich auszutauschen und einander auf dem Laufenden zu halten, Interesse und Anteilnahme zu zeigen. Jeder muss in seinen Bedürfnissen ernst genommen werden.

Auch wenn Marlene Walz befürchtet, der Mama könnten bald Hasenohren wachsen, wenn sie weiterhin so viel Salat isst. Dafür akzeptiert der Rest der Familie, wenn die große Tochter immer mehr vegetarische Tendenzen an den Tag legt – und belegt eben nur die halbe Pizza mit Schinken.

Kleiner Leitfaden fürs Familienessen

  • Kinder in die Menüplanung mit einbeziehen. Auch Teenager sind kooperativer, wenn ihre Rolle nicht aufs Tischabräumen beschränkt bleibt.
  • Gemeinsam einkaufen. Kinder wollen mitentscheiden. Und schließlich will auch Einkaufen gelernt sein!
  • Gemeinsam kochen. Geringer Schwierigkeitsgrad und schnelle Resultate – damit schon das Kochen Lust aufs Essen macht.
  • Eigenarten akzeptieren. Jeder darf beim Essen seine eigene Meinung/Eigenheiten/ Vorlieben haben und sie vertreten, ohne Machtspielchen befürchten zu müssen.
  • Frust und Ärger dürfen nicht mitessen. Konflikte gehören besprochen, aber keinesfalls beim Essen.
  • Für gute Laune sorgen. Gestalten Sie das gemeinsame Mahl so attraktiv wie möglich.

Werden diese Regelnbeherzigt, macht miteinander essen …

… glücklich. Durch gegenseitige Anerkennung und das wechselseitige Erfüllen von Bedürfnissen fühlen sich Kinder geliebt.

… selbstbewusst. Jeder darf seine eigene Meinung/Eigenheiten/Vorlieben haben und sie ohne Machtspielchen vertreten.

… zufrieden. Der sichere Rahmen der vertrauten Familienstrukturen gibt Stabilität und Geborgenheit. In Verbindung mit einem gestärkten Selbstbewusstsein ist das eine wichtige Voraussetzung, um entspannt und zufrieden sein zu können.

… stressresistent. Gesundes Selbstbewusstsein, verbunden mit der grundlegenden Erfahrung des Aufgefangenseins, auch wenn es mal Streit und Ärger gibt, stärkt die allgemeine Zuversicht ins Leben und lässt Stress, Angst und Sorgen nicht überhand nehmen.

… satt. Sind diese Bedürfnisse nach Liebe und Sicherheit erfüllt, sind die Voraussetzungen für bedarfsgerechte Sättigung ohne Völlerei oder Frustessen erfüllt.

… gesund. Kinder, die die Essenszeit positiv erleben, essen nachweislich gesünder.

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