Erziehung

Wie Kinder verlieren lernen

Kind, ärgere dich nicht!

Wie Kinder verlieren lernen

Verlieren ist furchtbar schwer für Kinder. Da fließen schnell einmal die Tränen, oder ein Wutausbruch sorgt für einen plötzlichen Spielabbruch. Doch Verlieren lernen ist wichtig –  auch für andere Bereiche im Leben.

Sonntagnachmittag: Draußen ist es kalt und ungemütlich, also wird das neue Brettspiel ausgepackt, das das Christkind unter den Baum gelegt hat. Erst ist der Spaß groß, doch als klar wird, dass der Jüngste zu verlieren droht, kippt die Stimmung. Und tatsächlich, als ihn der nächste Wurf aus dem Spiel katapultiert, fliegen auch schon das Spielbrett und alle Steine in hohem Bogen durch die Luft. „Ich hasse dieses blöde Spiel, und mit euch will ich sowieso niiiie wieder spielen“, tönt es noch, dann folgt ein Tränenausbruch.

So weit, so bekannt. Denn verlieren ist gerade für kleine Kinder etwas Furchtbares, rüttelt es doch gewaltig an ihrem Selbstbewusstsein. Und dennoch sind Spiele die perfekte Möglichkeit, zu lernen, dass Scheitern im Leben dazu gehört.

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Psychologin Veronika Lippert

„Natürlich tut es weh, wenn man verliert“, weiß die Pädagogin und Elterntrainerin Veronika Lippert. „Aber wir müssen lernen, Herausforderungen anzunehmen und zu akzeptieren, dass diese manchmal leider nicht so ausgehen, wie wir es uns gewünscht haben.“

Weiter zum Expertenbeitrag von Veronika Lippert: Von Siegern und Verlierern

Denn verlieren bedeutet nicht nur, beim „Mensch ärgere Dich nicht“ rauszufliegen, sondern auch beim Tennis geschlagen zu werden, in der Schule beim Vorrechnen an der Tafel zu versagen oder plötzlich von den besten Freundinnen  wie Luft behandelt zu werden.

Kurzes Spiel, leichte Regeln

Um mit all diesen Situationen umgehen zu lernen, ist Spielen das beste Training – wenn man gewisse Dinge berücksichtigt. „Wichtig ist vor allem die Wahl des richtigen Spiels“, weiß Lippert. „Anfangs eignen sich besonders solche, bei denen es keinen einsamen Verlierer gibt.“ Der Klassiker dafür auf dem Spielemarkt ist „Obstgarten“, bei dem alle Mitspieler gemeinsam gegen den Raben vorgehen.

Mit solchen sogenannten kooperativen Spielen, bei denen man also gemeinsam oder in Teams agiert, steht keiner ganz alleine als Looser da. Man kann aber auch Lieblingsspiele einfach adaptieren und in kleinen Teams spielen, egal, ob das „Uno“ oder „Rummikub“ ist. Denn zu zweit oder dritt verliert es sich nun mal viel leichter.

Auch auf altersgerechte Auswahl sollte man achten, damit der Ablauf nicht zu abstrakt und die Regeln zu kompliziert sind. „Kinder dürfen nicht überfordert werden, damit sie auch wirklich Spaß an der Sache haben“, so die Expertin. Das Spiel der Wahl sollte anfangs eher kurz sein, damit sich auch kleinere Kinder durchgehend konzentrieren können.

Außerdem kann das Spielmaterial reduziert werden – so gibt es beispielsweise bei Memory anfangs nur zehn Paare –, und auch bestehende Regel können abgewandelt und vereinfacht werden. Lippert: „Jedes Kind muss eine reelle Chance haben, das Spiel aus eigener Kraft gewinnen zu können.“ Dazu gehört auch vorab eine gute Erklärung über den genauen Ablauf und das Ziel des Spiels. Auch mögliche Strategien können besprochen werden, und natürlich ist es wichtig, schon vorneweg zu erklären, dass manchmal auch die beste Planung nichts nützt, wenn es um das Würfelglück geht.

Gefühle und Tränen bei Kindern ernst nehmen
Kommt der Wutanfall dennoch, sollen die kleinen Verlierer ihre Gefühle ruhig ausleben können.

Wut ist okay, Tränen sind es auch

Kommt der Wutanfall dennoch, sollen die kleinen Verlierer ihre Gefühle ruhig ausleben können.

„Man darf wütend, enttäuscht und traurig sein“, meint Veronika Lippert. „Eltern sollten dann ihrem Kind vermitteln, dass sie seine Gefühle sehen und verstehen und dass man gemeinsam einen Weg finden wird, mit diesen Emotionen umzugehen.“ Vielleicht hilft es ja, das Spiel kurz zu unterbrechen und eventuell auf ein „Wut-Kissen“ einzuschlagen, bevor das Spielebrett zu Schaden kommt.

Besonders bei kleineren Kindern, die noch in der „magischen Phase“ sind (ca. 3 bis 5 Jahre), hilft es auch, eine Teilschuld der „verhexten“ Spielfigur oder dem Würfel zu geben.

Die von vielen Eltern recht gern benützte Strategie des „Gewinnenlassen“ befürwortet die Pädagogin weniger. „Natürlich ist die Versuchung da, aber wichtiger ist es, die richtigen Rahmenbedingungen für das gemeinsame Spiel zu schaffen und während dieser Zeit voll und ganz beim Kind zu sein.“ Auch die Vorbildwirkung der Eltern spielt eine Rolle, so die Expertin. „Eltern sollten zeigen, dass Verlieren nun mal zum Spiel dazu gehört und dass es vor allem wichtig ist, Zeit miteinander zu verbringen.“

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Verlieren stärkt auch das Selbstbewusstsein von Kindern
Entscheidend dafür, wie gut oder schlecht jemand verlieren kann, ist allerdings etwas Grundsätzliches – nämlich das Selbstwertgefühl des Kindes. Ehrliche Anerkennung und Lob sind für das Selbstbewusstsein besonders wichtig.

Selbstbewusstsein stärken

Entscheidend dafür, wie gut oder schlecht jemand verlieren kann, ist allerdings etwas Grundsätzliches – nämlich das Selbstwertgefühl des Kindes.

Lippert: „Je selbstbewusster ein Kind ist und je mehr Selbstwertgefühl es hat, desto leichter lernt es, mit Niederlagen umzugehen.“

Will man dieses Selbstwertgefühl stärken, sind ehrliche Anerkennung und Lob besonders wichtig.

„Egal, ob das Kind bei einer Wiederholung ein Plus gemacht oder ganz von selbst den  Müll runtergetragen hat, kann man ihm sagen, dass man es wertschätzt bzw. stolz ist“, so die Pädagogin. Wichtig sei es, dieses Lob auch vor Dritten – etwa dem Partner am Abend – zu wiederholen. Außerdem sollte man seinen Kindern schon von klein an mitgeben, dass man an sie glaubt, dass sie etwas schaffen können und dass man sie auch lieb hat, wenn ihnen etwas nicht gelingt.

Spiele und Verlieren bereiten auf Niederlagen im Alltag vor. Egal ob in der Schule oder beim Sport: Kommunikation mit Kindern ist essenziell.

Niederlagen im Alltag

Und dieses Nichtgelingen wird Kindern gewiss häufiger widerfahren. Beim Gesellschaftsspiel ebenso wie in der Schule oder beim Sport.

Gerade im Volksschulalter eignet sich fast alles zum Wettbewerb, ständig wird die eigene Leistung mit jener der anderen verglichen. Egal, ob es darum geht, wer als Erster vom Bus beim Schultor ist, wer schneller die Treppen im Schulhaus hinunterläuft oder in der Pause zuerst angezogen und am Schulhof ist.

„In solchen Situationen ist die Kommunikation mit Kindern essenziell“, so Lippert. „Man muss ihnen klar machen, dass einmal der eine und dann wieder ein anderer gewinnt. Dass es daran liegen kann, wie man geschlafen hat oder wer eine grüne und wer eine rote Ampel hatte.“

Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Konkurrenzdenken von vielen Lehrern oder Eltern noch geschürt wird. So werden Fehler gezählt, Punkte vergeben und Rechenkönige gekürt.

Blick in die Zukunft

Ähnlich beim Sport: Da entscheidet eine Zehntelsekunde beim Sprint, ein Zentimeter beim Sprung und jeder Netzball beim Tennis über Sieg und Niederlage.

„Bei Sportarten, in denen die Einzelleistung zählt, ist es noch schwieriger, zu verlieren“, bestätigt Veronika Lippert. „Bei Teamsportarten kann hingegen nur ein ganzes Team gewinnen oder verlieren.“

Was beim sportlichen Unterliegen hilft, ist letztendlich das Gleiche, was auch beim schlechten Test in der Schule oder beim Ausscheiden beim „Mensch ärgere Dich nicht“ nützt: Zu akzeptieren, dass man verloren hat, und festzustellen, was dazu geführt hat.

Lippert: „Die Kinder fertig zu machen, hat überhaupt keinen Sinn! Man kann analysieren, anschließend überlegen, was man anders machen kann, und dann gehört die Sache abgehakt und in die Zukunft geschaut. Nur so können wir Kindern zeigen, wie man loslässt, mit Fehlern und Versagen umgeht und sie letztendlich stärken.“

Kooperative Spiele für Kinder
Kooperative Kinder sind der perfekte Einstieg in die Spielewelt.

„Kooperative Spiele“: Hier verliert keiner

Ein lustiges und spannendes Gesellschaftsspiel zu finden, das nicht darauf ausgelegt ist, dass einer die anderen besiegt, ist gar nicht so einfach. Doch gerade für kleinere Kinder sind diese Spielvarianten, in denen Teams gemeinsam agieren, ein toller Einstieg in die Spielewelt.

  • Gemeinsam gegen den Raben. Das bekannteste kooperative Spiel ist wohl „Obstgarten“ von Haba, das weltweit über eine Million Mal verkauft wurde. In diesem Spiel für Kinder ab 3 Jahren geht es darum, Bäume, die voll reifer und leckerer Kirschen, Äpfel, Birnen und Pflaumen sind, abzuernten, bevor der freche Rabe zuschlägt und alles auffrisst.
  • Keine Chance für freche Monster. Gemeinsame Monster-Jagd ist das Ziel der „Monster-Falle“ von Kosmos. Diese treiben nämlich in Oma Friedas Villa allerlei Schabernack. Doch Oma Frieda würde sich sehr erschrecken, wenn sie auf die Monster trifft, also müssen diese frechen Kerle so schnell wie möglich durch die Villa geschoben und in die Monsterfalle geschubst werden, bevor die alte Dame nach Hause kommt. Das Team, das geschickt ist und sichgut miteinander abspricht, fängt die meisten Monster und wird zum „Spitzen-Monster-Fänger-Team“ gekürt. Ab 6 Jahren.
  • Jagd nach Leckereien. In „Mmm!“ von Pegasus sind die Spieler hungrige Mäuschen, die endlich ein gemütliches Haus mit vollen Vorratskammern gefunden haben. Dann kreuzt jedoch der Hauseigentümer – eine fiese Katze – auf. Nun gilt es, gemeinsam die Leckereien zu klauen, ehe man den Katzentatzen in die Fänge geht. Doch wenn die Spieler zu forsch oder zu zaghaft sind, kommt ihnen der Haustiger bald auf die Schliche. Ab 5 Jahren, plus beiliegender Variante für Kinder ab 7.
  • Hamstern für den Winter. Völlig unbekümmert spielen die kleinen Nager in ihrem Bau und verpassen fast den Jahreszeitenwechsel. Also begeben sich die Tiere in „Hamsterbande“ von Haba gemeinschaftlich auf die Suche nach Essbarem und lagern es in ihrer Vorratskammer ein. Doch sie müssen flink sein. Denn sollte das letzte Blatt vom Baum herunterfallen, bevor alle Vorräte gehamstert sind, müssen die kleinen Nager ein wenig Diät halten und verlieren das  Spiel. Ab 4 Jahren.
  • Hilfe für die Kullerhexe. Die Hexe hat ihre magischen Gegenstände überall im Zauberwald verstreut. Die Spieler müssen ihr nun helfen, diese wieder zu finden und werden dafür mit Beeren belohnt. Gespielt wird bei „Kullerhexe“ (Drei Magier Spiele) in immer wieder wechselnden Zweierteams. Gemeinsam versucht man, durch Drücken von Steckern die Kullerhexe zu den gesuchten Gegenständen im Wald zu lenken. Das ist gar nicht so einfach, erfordert Geschicklichkeit sowie Absprachen und das Sich-Einstellen auf sein Gegenüber. Ab 6 Jahren.

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