"Wir sind es gewohnt, wenn es gut läuft, dass wir den Jahresstoff in relativ kurzer Zeit durcharbeiten und die Kinder einen guten Überblick haben, wahrscheinlich besser als viele Kinder an der Schule."

Auke Boersma Homeschoolers
Bildung

„Wir schaffen es, den Jahresstoff in relativ kurzer Zeit durchzuarbeiten“

Auke Boersma, Obmann des Vereins „Homeschoolers.at – Bildung zu Hause Österreich“ erzählt im Interview davon, wie er und seine Familie den häuslichen Unterricht in den vergangenen Jahren erlebt haben.

Wie lange leben Sie und Ihre Familie bereits mit Homeschooling?
Seit elf Jahren. Wir haben mit unseren vier Kindern (jetzt elf bis 17) angefangen, als sie sechs Jahre alt waren, und machen es bis zum Ende der vierten Klasse Mittelschule, das heißt, wenn sie 14 Jahre alt sind.

Haben Ihre Kinder aktiv an der Entscheidungsfindung teilgenommen oder war von vornherein klar, dass sie auf diese Weise ihren Unterricht erhalten werden?
Natürlich noch nicht, als sie sechs Jahre alt waren, da sie da die Tragweite der Entscheidung noch nicht abschätzen können oder genau wissen, worum es geht. In späteren Jahren haben wir sie schon gefragt, ob sie lieber zur Schule wollen, was aber nicht der Fall war.

Sind die Kinder mit der Situation zufrieden?
Soweit wir das beurteilen können, schon. Manchmal dachten sie, dass sie an der Schule etwas verpassen könnten. Da sie aber oft von ihren Freunden bewundert wurden, dass sie morgens nicht so früh aufstehen müssen (das scheinen die meisten mit Schule zu verbinden), haben sie langsam verstanden, dass Homeschooling nicht so schlecht ist.

Wie pflegen sie Kontakte mit Freunden, der ja sonst oft über die Regelschule läuft? Helfen sich Familien untereinander beim Unterricht aus oder findet er auch öfters gemeinsam statt?
Sie haben relativ viele Kontakte durch Nachbarn, Musikschule, Sport, Kirchengemeinde und andere Homeschooler. Wir haben leider keine anderen Homeschooler-Familien in der Nähe, sodass die Gemeinschaft hier nur bei jährlichen Treffen und Seminaren stattfindet oder über Handy, d. h. sie sind über WhatsApp vernetzt. Wir konnten deshalb auch nie einen gemeinsamen Unterricht machen. Ich stelle mir das auch nicht so einfach vor, da das individuelle Tempo und Stil ja gerade einer der großen Vorteile des Homeschooling ist. Je größer die Gruppe ist, desto eher geht das wieder verloren. Trotzdem haben wir manchmal bei Seminaren auch gemeinsamen „Unterricht“ gemacht, wenn wir zum Beispiel einen Spezialisten für ein bestimmtes Thema unter uns hatten.

Wie muss man sich das vorstellen? Lernen die Kinder voneinander bzw. miteinander?
Die Frage des WIE bzw. der METHODE unterscheidet sich bei jeder Familie und ist von der jeweiligen Konstellation von Eltern und Kindern abhängig. Die Kinder lernen vor allem von den Eltern, aber auch von älteren Geschwistern, die den Stoff beherrschen und Freude haben, den jüngeren das mitzuteilen. Da man ja einen ausgeprägten „Learning by Teaching“-Effekt hat, ist das dann eine Win-win-Situation, die sehr willkommen ist und die Eltern auch noch entlastet werden. Oft findet der Unterricht in der Küche oder im Wohnzimmer statt. Nur wenn sie Ruhe brauchen, ziehen sich die Kinder zurück, um etwas zu lernen. Bei manchen Fächern, wenn die Kinder schon älter sind, sage ich: „Lies dir das durch, dann unterhalten wir uns darüber“, auch etwa bei einem Spaziergang. Das kommt ziemlich gut an.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von Homeschooling?
Wir erleben, dass wir sehr starke und gute Beziehungen zwischen uns als Eltern und den Kindern und zwischen den Geschwistern haben. Wir lachen viel und haben beim Lernen auch Spaß. Wenn ich neben meinem Kind sitze, merke ich sofort, wenn es etwas nicht versteht, und kann nachhaken. Wir sind es gewohnt, wenn es gut läuft, dass wir den Jahresstoff in relativ kurzer Zeit durcharbeiten und die Kinder einen guten Überblick haben, wahrscheinlich besser als viele Kinder an der Schule. Ich versuche, den Stoff mit meinen Erfahrungen und denen des Kindes zu verbinden, das prägt sich wesentlich besser ein. Manchmal schauen wir uns auch gemeinsam ein YouTube-Video zum Stoff an. Ich stehe gegenüber den Kindern auch dazu, dass ich manche Dinge nicht weiß und dass wir das gemeinsam herausfinden müssen.

Würden Sie die Entscheidung zum Homeschooling jederzeit wieder so treffen?
Unmittelbar vor der Externistenprüfung fragt man sich vielleicht schon einmal: Warum in der Welt tue ich  mir das an? Aber wenn man es dann geschafft hat (was Gott sei Dank fast immer der Fall ist), ist die Freude über die bestandene Herausforderung größer und wiegt vieles auf. Unter dem Strich möchten meine Frau und ich keine der gemeinsamen Stunden des Lernens missen und sind froh, dass wir hier in Österreich die Möglichkeit haben, das legal tun zu können.

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