Zeugnisfrust? Das können Eltern tun
Endliche Ferien mit Sonne, Eis und Leichtigkeit? Ein schlechtes Zeugnis kann die Ferienlaune trüben. Wie können Eltern auf unerfreuliche Noten reagieren, ohne ihr Kind zu entmutigen?

Man könnte an dieser Stelle eine grundsätzliche Diskussion vom Zaun brechen: Wozu überhaupt Schulnoten? Wie objektiv und aussagekräftig sind sie wirklich? Schon im 19. Jahrhundert wurde das kontrovers diskutiert, auch heute gehen die Meinungen darüber auseinander. Ohne Schulnoten geht es nicht, sind Befürworter überzeugt. Wie sonst sollten Leistungen der Schüler untereinander verglichen und Lernfortschritte festgestellt werden? Noten seien höchst subjektiv, finden Skeptiker. Und obendrein bloß eine Momentaufnahme: Das Genügend auf die Lateinschularbeit kann schlicht einem schlechten Tag geschuldet sein und spiegle die Lateinkompetenzen eines Schülers nur eingeschränkt wider. Was sagt die Wissenschaft? Studien weisen darauf hin, dass Noten viel weniger vergleichbar sind als angenommen. Zu unterschiedlich seien Schulen und Lehrer. Die Frage nach geeigneten Alternativen lässt sich aber auch nicht so einfach beantworten.Tatsache ist: In den allermeisten Schulen hierzulande werden die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Ziffernnoten bewertet. Vom Einser für herausragende Leistungen bis zum Fünfer – wenn es für eine positive Bewertung nicht ausgereicht hat. Mit dem Zeugnis in der Hand verlassen am Ende des Schuljahres Kinder und Jugendliche das Schulgebäude, manche davon mit schwerem Herzen. Wenn die Noten nicht so ausgefallen sind, wie sie es sich gewünscht hätten.
Eigene Gefühle regulieren
So unterschiedlich die Meinungen über die Sinnhaftigkeit von Schulnoten auch sind, eines steht für die allermeisten Menschen außer Frage: Kein Kind sollte sich wegen eines schlechten Zeugnisses nicht nach Hause trauen – egal ob sich der Physiklehrer doch für den Vierer entschieden hat, sich in Mathe nur der Dreier ausgegangen ist oder, schlimmer, eines oder mehrere Fächer nicht positiv abgeschlossen werden konnten. Wenn nicht mit einem großen Donnerwetter: Wie können Eltern dann reagieren, wenn die Noten alles andere als erfreulich sind? Grundsätzlich gilt: „Eltern sollten zuerst einmal ihre eigenen Leistungsansprüche reflektieren“, sagt Barbara Binder, Psychotherapeutin und Beraterin bei ‚Rat auf Draht‘. „Manchmal ist es so, dass Eltern einen zu hohen Anspruch haben, den sie auf das Kind übertragen.“ Wobei es auch den umgekehrten Fall gibt: Kinder machen sich selber Druck, ausgezeichnete Noten zu schreiben, während die Eltern das entspannter sehen.Natürlich dürften Eltern enttäuscht sein, wenn die Noten des Kindes nicht wie erwartet ausfallen, sagt Binder. „Sie sollten ihr Kind mit ihrer Enttäuschung aber nicht ungefiltert konfrontieren.“ Das Kind sei wahrscheinlich selbst traurig, da sollte es nicht auch noch die Emotionen der Eltern schultern müssen. Zuerst also die eigenen Gefühle regulieren. Tief durchatmen. Lieber im Gespräch mit dem Partner, der Partnerin Frust ablassen – bevor man die Noten dem Kind gegenüber kommentiert.

Schlachtplan gemeinsam überlegen
Ob eine Note schlecht oder gut ist, hängt – außer bei einem Nichtgenügend – von der Perspektive ab. Wer das gesamte Schuljahr über in Mathematik vom Durchfallen bedroht war und am Ende das Ruder noch herumreißt, wird über einen Vierer mehr als glücklich sein. Für einen anderen ist schon ein Dreier eine Katastrophe. Ausgezeichnete Schülerinnen und Schüler sind auch über einen Zweier traurig. Relevant ist auch: Wie kam die Note zustande? Hat sich das Kind tatsächlich zu wenig angestrengt? Steckt eine Lernschwäche dahinter? Ist der eine Ausrutscher nach unten bei der Schularbeit schuld, den auch die gute Mitarbeit nicht kompensieren konnte? Und man sollte sich immer vor Augen halten: „Die Welt geht auch bei einem Fünfer nicht unter.“
Eltern und Kinder sollten sich einen Schlachtplan zum Ausbessern der Noten immer gemeinsam überlegen. Wo genau liegen die Wissenslücken? Müssen Nachhilfestunden organisiert werden? Wie viel Unterstützung beim Lernen braucht das Kind von den Eltern? All diese Fragen sind wichtig. Genauso wichtig ist aber auch die Erholung, etwas Abstand von der Schule und vom Lernen. Ferien braucht jeder – unabhängig davon wie das Zeugnis ausgefallen ist. Deswegen: Nicht schon am Montag nach Schulschluss mit dem Lernprogramm starten. Aber auch nicht vergessen, zu vereinbaren, wann man sich wieder reinhängt. Nicht auf Leistung reduzierenEgal wie schlecht das Zeugnis auch ausfällt: „Zuneigung darf nicht von Noten abhängen“, sagt Barbara Binder. Das klingt selbstverständlich. Unbewusst würden Eltern aber manchmal durch eine bestimmte Stimmlage oder Wortwahl vermitteln: So richtig zufrieden sind wir nicht mit dir. Es passiert allzu leicht, dass ein Kind über seine Leistung definiert wird. Das gilt übrigens auch für Schülerinnen und Schüler, die ein ausgezeichnetes Zeugnis mit nach Hause bringen. Klar, Eltern dürfen sich mit ihrem Kind und über ihr Kind freuen. Aber auch die besten Schüler sollten nicht auf ihre Leistung reduziert werden.
Und wie sieht es mit einer Belohnung für den Schulerfolg aus? Geldgeschenke à la ‚10 Euro für jeden Einser sieht Barbara Binder kritisch. „Aber gegen eine kleine Belohnung, wenn ein Ziel erreicht wurde, spricht nichts.“

So fördern Eltern die Lernmotivation
UNBEDINGT FEIERN! Selbst wenn das Zeugnis schlecht ausgefallen ist: Der Schulschluss muss gefeiert werden. Und wenn es nur die Tatsache ist, dass man das Schuljahr lebend überstanden hat, über die man sich gemeinsam freut. In die Pizzeria oder auf ein großes Eis: Ein Ritual zu Ferienbeginn stärkt darüber hinaus den Zusammenhalt in der Familie und zeigt: Schule ist nicht alles. Zum Glück gibt es mehr als Noten.
DEN LERNFORTSCHRITT SEHEN. Viel wichtiger als die Note ist der Fortschritt, den ein Kind gemacht hat. Die Mühe, die es auf sich genommen hat, um einen Dreier zu bekommen, sollte auf jeden Fall gewürdigt werden.
NICHT VERGLEICHEN. Eltern sollten ihre Kinder nie miteinander vergleichen. Das fördert die Rivalität unter den Geschwistern. Jedes Kind sollte in seiner Individualität gesehen, jeder Lernerfolg gewürdigt werden. Das kann bedeuten: Mit dem Sohn freut man sich über den Einser in Mathe, mit der Tochter über den Dreier – weil man weiß, wie sehr sie sich dafür angestrengt hat.
DIE ANSTRENGUNG BETONEN, NICHT DAS TALENT. Die amerikanische Psychologin und Mindset-Expertin Carol Dweck stellte fest: Je mehr man Kindern gegenüber betont, wie talentiert sie sind, desto weniger motiviert sie das, sich auch in Zukunft anzustrengen, im Gegenteil. Egal ob ein Kind sich in einem Fach als besonders talentiert erweist oder nicht: Wichtig ist, die Bedeutung von Anstrengung und Mühe zu betonen. Also nicht sagen: ‚Gratuliere zum Einser in Mathe, du bist ein echtes Mathetalent!‘ Sondern: ‚Gratuliere! Man sieht, das Lernen hat sich ausgezahlt!‘ So verinnerlichen Kinder, dass es sich lohnt, sich reinzuhängen und auch mal durchzubeißen, wenn man nicht motiviert ist.
Forum
Diskutieren Sie über diesen Artikel
Insgesamt 0 Beiträge