Bildung

Ächz! Rülps! Wow! Comics forever!

Schaden Comics der Lesekompetenz? Tun sie nicht. Sie können beim Lesenlernen helfen. Und bieten darüber hinaus qualitative Lektüre voller Witz und Spannung.

Auf einmal sind sie wieder da, die Held*innen und Freunde aus der eigenen Kindheit. Der tollpatschige Donald und seine Daisy, der mutige Tim mit dem treuen Struppi an seiner Seite, der faule Garfield. Miraculix braut seinen Zaubertrank, Obelix verprügelt mühelos lästige Römer und die Schlümpfe ärgern den gemeinen Gargamel. Nur dass man heute nicht selbst die Nase ins Comicheft steckt, sondern den eigenen Kindern dabei zuschauen kann, wie sie in die gezeichneten Welten eintauchen. Welten, die man als Kind heiß geliebt hat. Kinder lesen gerne Comics. Daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel geändert. Verändert hat sich allerdings das Ansehen der Bild-Text-Geschichten. Comics haben sich längst zu einer eigenen Literaturgattung etabliert und werden als Kulturgut angesehen. Auch auf dem Comicmarkt hat sich einiges getan. Neue Themen und Stile sind dazu gekommen. Mangas beispielsweise, traditionell schwarz-weiß gehaltene Comics aus Japan, die von hinten nach vorne gelesen werden, haben den Markt erobert. Sie sprechen stärker ein weibliches Publikum an. Ursprünglich galten Comics nämlich tendenziell als Lesestoff für Buben, die sich an den Abenteuern in Entenhausen oder Gotham City erfreuten.

Graphic Novels und Mangas

Einen Boom erleben seit einigen Jahren auch Graphic Novels. Das sind Comics in Buchformat, die meist komplexere Geschichten erzählen und jugendliche und erwachsene Leser als Zielgruppe haben. Gerade für Jugendliche bieten Graphic Novels die Chance, sich ernsteren und schwerer zugänglichen Themen auf unterhaltsame Weise zu nähern. So gibt es zum Beispiel die Lebensgeschichte von Anne Frank, die Odyssee oder Literaturklassiker wie Stefan Zweigs ‚Schachnovelle‘ oder Theodor Storms ‚Schimmelreiter‘ als gezeichnete Bildgeschichte im Graphic-Novel-Format. Ein ganz neues Genre ist mit den Comic-Romanen entstanden, in denen Text und Zeichnungen gemischt werden. Selbst Lesemuffel lassen sich mit den Geschichten rund um liebenswerte Alltagsheld*innen ködern. Auch wenn Comics längst ihr Schund-Image abgelegt haben: Wenn Kinder fast nichts anderes lesen, stößt das vielen Eltern sauer auf. Wird das Kind jemals auch Bücher ohne Bilder zur Hand nehmen? Schadet zu viel Comic-Konsum nicht der Lesekompetenz? Michaela König vom Buchklub gibt Entwarnung: „Es gibt meines Wissens keine wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass das Lesen von Comics schlecht ist oder das Lesenlernen behindern würde.“

Leseförderung mit Comics

„Es gibt nur zwei Argumente gegen Comics: entweder sie sind schlecht gemacht oder sie überfordern das Kind. Dasselbe gilt aber für alle anderen Kinderbücher auch, so hat es einmal der Germanist Peter Rinnerthaler von der STUBE bei einem Vortrag ausgedrückt“, sagt König. Eltern müssten sich keine Sorgen machen, wenn ihr Kind gern zum Comic greift, phasenweise sogar lieber als zu anderen Büchern. Comics mit ihrer übersichtlichen Textmenge, den witzigen Geschichten und spannenden Held*innen würden Leseanfänger*innen motivieren. „Mit Comics kann man auf jeden Fall auch Leseförderung betreiben“, sagt König. Besteht die Gefahr, dass Kinder bei den Comics hängen bleiben und gar nichts anderes mehr lesen möchten? „Eltern sollten Kindern immer eine große Vielfalt anbieten.“ Wenn ein Kind zu Hause oder beim Büchereibesuch unterschiedliche Genres vorfindet, tue es sich leichter, auch einmal anderen Lesestoff auszuprobieren. Besonders die Zeit des abendlichen Vorlesens sei ein guter Moment, alternative Literatur einzuführen. „Comics eignen sich zum Vorlesen ohnehin nicht so gut“, sagt König. „Die vielen Bilder sind am Abend für viele Kinder zu anregend. Das ist ein guter Zeitpunkt für längere Geschichten, die nur wenig bebildert sind.“

Charmant und voller Witz

Dass es sich bei Comics um anspruchslose Lektüre handelt, sei ein Vorurteil, sagt auch der Comicexperte Sebastian Broskwa. „Wie bei allen anderen Formen von Literatur gibt es auch bei Comics solche, die besser und solche, die schlechter gemacht sind“, sagt Broskwa, der in Wien mit Pictopia einen Comicvertrieb betreibt. Selbst die besonders unterhaltsamen, bei vielen Kindern beliebten Comics seien qualitativ nicht schlecht, nur weil sie leicht zu lesen sind. „Asterix und Donald Duck sind – je nachdem, wer sie gezeichnet hat – große Kunst. Sie sind irrsinnig charmant, voller Humor, haben ein tolles Setting, ausdrucksstarke Mimik und Gestik. Es ist eine Kunstfertigkeit sie so zu machen, dass sie witzig und leicht zu lesen sind.“ Auch wenn es aufgrund der vielen Bilder scheint, als sei das Lesen von Comics einfach: Man muss es üben. Die Gleichzeitigkeit von Wort und Bild hat seine Tücken. Sprechblasen und Gezeichnetes im Kopf zu einer Geschichte zusammenzufügen ist herausfordernd und – wie Broskwa sagt – „eine eigene Kulturtechnik“. Wer damit nicht vertraut ist, tut sich schwer. „Viele Erwachsene sind damit überfordert, wenn sie als Kind keine Comics gelesen haben.“

Generationenübergreifende Lektüre

Comics seien ein komplexes Medium, näher bei schriftlicher Literatur als am Film, betont Broskwa. Kindern die Welt der Comics zu eröffnen, lohne sich, ist Sebastian Broskwa überzeugt. „Es gibt eine große Zahl empfehlenswerter Kindercomics, die zunehmend auch von deutschsprachigen Comicautorinnen und -autoren geschaffen werden, dazu kommen die Klassiker wie Asterix, Tim und Struppi oder Lucky Luke.“ Was die Comic-Klassiker besonders macht, ist außerdem ihre generationenübergrei- fende Komponente. Es sind dieselben Bildwelten, die Kindern, Eltern und vielleicht sogar den Großeltern vertraut sind, dieselben Witze, über die die Jungen und die Alten lachen. Und möglicherweise sind es sogar dieselben Hefte, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden.

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