Medien

Berlinale 2020: Eine Reise um die Welt

Die Kinder- und Jugendfilme der 70. Berlinale beleuchten den Alltag von jungen Menschen rund um den Globus.

Die meisten Spielfilme, die sich um das Leben von Kindern und Teenagern drehen und in einem österreichischen Kino zu sehen sind, stammen aus Europa oder Amerika – und das ist schade, denn das internationale Jugendkino hat noch viel mehr zu bieten. Die Berlinale, das größte Publikumsfestival Europas, zeigt in ihrer Jubiläumsausgabe deshalb auch viele verschiedene Filme aus Asien, Afrika, Nordamerika und Australien – und ermöglicht es den kleinen und großen Kinogehern in kindliche Lebenswelten aus anderen Kulturen einzutauchen. Und letztendlich zeigen die rund 60 Langspiel- und Kurzfilme, dass sich die Wünsche und Sorgen von Buben und Mädchen rund um den Globus, so unterschiedlich ihre Lebensbedingungen auch sein mögen, immer ähnlich sind – gleich, ob in den 70er- den 90er-Jahren oder heutzutage.

Einsamkeit in Indien

„Sthalpuran“ („Zeit und Raum“) aus Indien zum Beispiel erzählt vom Leben des kleinen Dighus. Gemeinsam mit seiner Mutter und der älteren Schwester ist der Achtjährige aus der indischen Großstadt auf Land in die Küstenregion Kokan gezogen wo Dighus Großeltern leben. Doch es ist nicht nur die für ihn vollkommen neue Umgebung mit der der Bub klar kommen muss: Sein geliebter Vater ist scheinbar spurlos verschwunden – und er vermisst ihn sehr. In seiner Not flüchtet sich Dighus in seine Phantasie und sein Tagebuch, wo er seinem Vater ganz nahe sein kann. Veränderung und Verlust sind es, die der indische Regisseur Akshay Indikar in „Sthalpuran“ in wunderschönen Bildern und mit seinem hochtalentierten Hauptdarsteller Neel Deshmukh erzählt.

In "Sthalpuran" sehnt sich Dighus nach seinem Vater.

Eine Hommage ans Erwachsenwerden

Ebenfalls aus Asien stammt der Berlinale Beitrag „Death of Nintendo“ des philippinischen Filmemachers Raya Martin, der mit seinen bisherigen Arbeiten unter anderem schon bei den Filmfestspielen von Cannes und dem Filmfestival Locarno vertreten war. In dem in den 1990er-Jahren angesiedeltem Coming-of-Age Film dreht sich für Paolo und seine Freunde alles rund um das kultige Nintendo Spiel. Ab und zu fällt der Strom aus in der beschaulichen Vorstadt Manilas, denn der nahe Vulkan Pinatubo bricht regelmäßig aus und schaltet das Leben der Menschen dann für einige Zeit auf Pause. Doch eines Tages beginnen die Burschen die Mädchen rund um sich wahrzunehmen und geraten in den Strudel der Pubertät und ihrer wirr durcheinanderströmenden Hormone. Raya Martin ist mit „Death of Nintendo“ eine bunt-poppige Hommage an das Erwachsenwerden gelungen, die mit all den Problemen der Teenager ebenso gut in Wien oder New York, in den 70er-Jahren wie im Jahr 2020 spielen könnte.

"Death of Nintendo" von den Philippinen ist eine Hommage an die 90er-Jahre.

Ein sanftes Rauschen

Ebenfalls in den 90er-Jahren angesiedelt ist der kanadische Film „La Déessee des mouches à Feu“ („Goddess oft he Fireflies“). Und auch er beleuchtet, wenngleich weit radikaler, das Thema Erwachsenwerden: Cat ist 16 Jahre alt, lebt in der kanadischen Provinz und hat die wohlbehütete Kindheit schon hinter sich gelassen. Sie ist das erste Mal verliebt und macht erste sexuelle Erfahrungen. Tagtäglich ist sie aber auch mit dem erbarmungslosen Scheidungskrieg der Eltern konfrontiert, der auch an Cat seine Spuren hinterlässt: In ihrem neuen Freundeskreis wird mit Drogen experimentiert und sie nimmt die Droge Meskalin zu sich. Die führt nicht nur zu ekstatischen Zuständen, sie nimmt Cats Alltag auch mehr und mehr ein und beginnt, ihr Leben zu bestimmen. Das Mädchen verbringt immer mehr Zeit mit ihrer neuen Clique, denn die Atmosphäre zuhause wird für sie immer unerträglicher. Begleitet vom Punkrock der 90er-Jahre und dem Look von Mia Wallace ist „La Déessee des mouches à Feu“ das bewegende Portrait einer heranwachsenden Rebellin, die versucht, ihren eigenen Weg zu finden.

Cat aus Kanada kämpft in „La Déessee des mouches à Feu“ mit dem Erwachsenwerden.

Blick in die Zukunft

Starke Lebenszeichen gibt hier in Berlin auch ein Filmkontinent von sich, der im europäischen Kinogeschehen noch wenig Beachtung findet: Afrika. In der Berlinale Jugendschiene Generation etwa ist „Notre-Dame du Nil“ („Our Lady of the Nile“) aus Ruanda zu sehen. Der Film spielt im Ruanda des Jahres 1973 in einem katholischen Mädcheninternat. Hoch oben in den Bergen liegt es und wird bewacht von einer schwarzen Marienfigur. Die Tage der Teenagermädchen sind beherrscht von Lernen, Gottesdiensten aber auch praktischer Arbeit, denn die Mädchen entstammen der Elite Ruandas und sollen später einmal in die Fußstapfen ihrer Mütter und Väter treten. Gleich, ob sie dem Volk der Hutu oder dem der Tutsi entstammen – die Träume und Sehnsüchte der jungen Frauen sind alle gleich. Dennoch: Im Laufe des Films wird deutlich, dass die Konflikte zwischen den Ethnien, die 20 Jahre später zu einem verheerenden Genozid führen werden, in Ruanda zunehmen – und auch das Kloster und seine einst heile Welt erfassen.

"Notre-Dame du Nil" aus Ruanda spielt in einem Mädchenkloster der 70er-Jahre.

Forum

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Insgesamt 0 Beiträge

Wir setzen Cookies auf dieser Website ein, um Zugriffe darauf zu analysieren, Ihre bevorzugten Einstellungen zu speichern und Ihre Nutzererfahrung zu optimieren. weitere Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close