Nachhaltigkeit

Besuch im Kindergarten Eden

Der Speckgürtel von Wien wächst und mit ihm der Bedarf an Kindergärten. Magnus Deubner und Jesus Lopez haben sich aufs Planen und Bauen von öko-Kindergärten spezialisiert.

Das Gebäude ist weithin das markanteste der Gegend. Und schon von fern zeigt sich: Der „Wirbelwind“ wurde mit Bedacht geplant und ganzheitlich gestaltet. Das betrifft nicht nur den 2015 fertiggestellten Kindergarten selbst, sondern auch dessen Einbettung ins flache Marchfeld und in den Alltag der Eltern, die hier ihre Kinder herbringen und abholen. Über den öffentlich zugänglichen Vorplatz ist der Holzriegelbau an einen Radweg angebunden. An den Parkplätzen gibt es Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Auch dafür stammt der Strom von der Photovoltaikanlage am Dach, Überschüsse werden in einen 10-kWh-Lithiumakku eingespeist. Geheizt wird das Passivhaus mit Fernwärme. „Ich schätze zwischen 15 und 20 Prozent muss man schon an Mehrkosten einkalkulieren, wenn man derart zukunftsorientiert baut“, erklärt Ren. Lobner, seit dem Eröffnungsjahr Bürgermeister in Gänserndorf. „Aber wir achten seit Jahren auf eine nachhaltige Bauweise, speziell bei Kindergärten. Und im Grunde gibt es da einen breiten Konsens im Gemeinderat.“

Die Kleinstadt wächst

Nach Abschluss laufender Bauarbeiten wird man in Summe 29 Kindergartengruppen mit mehr als 500 Kindern haben. Auch der Kindergarten „Wirbelwind“ musste, wie ursprünglich mitgedacht, gleich im Jahr nach seiner Er.ffnung von 3 auf 6 Gruppen erweitert werden.

Holz und Schatten, Sandgruben und Parcours

Besonders wichtig war den beiden Architekten von Anbeginn an der Au.enbereich. „Das Gebäude selbst ist ein Spielhügel“, sagt Magnus Deubner. So habe man die sonst wenig aufregende Umgebung für Kinder attraktiv gestalten können. Üblicherweise werde meist kompakt gebaut, „aber kompakt heißt im Wesentlichen: langweilig“, sagt er – und dass es leider auch bei Neubauten Kindergärten gäbe, die wie Gefängnisse aussehen. Der „Wirbelwind“ ist demgegenüber ein kleiner Kindergarten Eden, ein wahres Paradies für die Kleinen. „Es ist lustig, mit wie wenig Kinder eigentlich zufrieden wären“, sagt Deubners Kompagnon Jesus Lopez. Wichtig wäre allein eine anregende Ausstattung, die die Kreativität beflügelt. So werden die betonierten Stützmauern der Hochbeete nun auch zum Balancieren genutzt. Durchs Gelände führen – „wie kleine Straßen“ – Parcours. Die Holzspielgeräte, die Beschattungspergolen und Sandgruben, auch der Innenbereich aus teils unbehandeltem Holz regt an und lässt gleichzeitig Rückzugsräume zum Kuscheln und Ruhefinden.

Bewusst low-tech gebaut

Schon bald nach seiner Eröffnung wurde der „Wirbelwind“ mit einem  Holzbaupreis gewürdigt. Heute ist er weit über die Landesgrenzen Niederösterreichs hinaus eine Referenz für zeitgemäße Kindergartenbauten. „Beim Energiethema sind wir zu 95 Prozent ökologisch,“ sagt Magnus Deubner stolz, „bei den Baumaterialien zu 85 Prozent.“ Bevorzugt arbeitet man neben Holz und Linoleum mit Steinwolle, gedämmt wird am liebsten mit Hanf. Zum Einsatz kommen auch Schaumglasplatten (aus Recyclingglas), Glas und Blech. In den beiden Kindergärten „Wirbelwind“ und „Wolkenschiff“ wurde bewusst ein Energiemonitoring installiert, um alle Energieströme zu erfassen und für künftige Projekte zu lernen. „Sonst bauen wir immer öfter ganz bewusst low-tech.“ Technologie veraltet schnell, verursacht Müll und ist meist schlicht nicht notwendig. Gebäude sollen zeitlos nutzbar und die verwendeten Materialien auch in ferner Zukunft weiter verwendet werden können.

Der „Regenbogen“ als Perpetuum mobile

Diesen Zugang wählen Deubner und Lopez nicht nur bei Neubauten wie dem  Kindergarten „Wirbelwind“ oder dem ebenfalls in Gänserndorf errichteten Kindergarten „Wolkenschiff“, sondern auch beim Sanieren und Erweitern von bestehenden Bauten. So wird gerade der Gänserndorfer Kindergarten „Regenbogen“ durch die Verwendung von Erdwärmesonden und Tiefenbohrungen in einen Niedrigstenergiebau verwandelt. „Fast ein Perpetuum mobile“, scherzt Deubner, „der Regenbogen kann ganzjährig kühlen und heizen.“

Sicherheit versus Gelassenheit

Was den zweifachen Vater aber bedrückt: Sicherheit sei mittlerweile „ein absolut verrücktes Thema“. Auch wenn es bei Kindergärten immer darum ginge, die Kleinsten vor der großen Welt draußen zu schützen, sei es absolut keine geeignete Vorbereitung aufs richtige Leben, alles 100 Prozent sicher gestalten zu wollen. „Die Kinder werden mittlerweile einzeln in Watte gepackt, vor allem von den Betreibern, um sich abzusichern, weil die Eltern immer komplizierter werden.“ Eine Überprüfung aller Spielgeräte durch den T.V vor Eröffnung eines Neubaus sei durchaus sinnvoll („Das ist mittlerweile sogar vorgeschrieben, wie groß der Spalt in einem Stück Holz sein darf, damit ich mir beim Vorbeilaufen nicht den Finger abreiße.“) Oft würden Eltern ihre Kinder durch übertriebene Vorsicht auch Erfahrungen berauben. Bei der Erweiterung eines Kindergartens, erzählt er, hätten die Kinder jeden Tag gebannt durch ein großes Fenster die Bagger beobachtet. „Ein Bauarbeiter fand die Szenerie der vielen gegen die Glasscheibe gedrückten Kindernasen so lustig, dass er sie eines Tages fotografiert hat. Weil sich eine Mutter daraufhin beschwert hat, dass ein Fremder Kinder fotografiert hat, musste alles blickdicht verschalt werden.“ Der Appell des Architekten an die Erziehungsberechtigten: „Etwas mehr Gelassenheit!“ Für Kinder gäbe es schließlich nichts spannenderes, als aus sicherer Entfernung Bagger und den Fortschritt auf einer Baustelle zu beobachten.

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