Gesundheit

Herzfehler bei Kindern: Wie Familien damit umgehen

Krankes Herz, glückliche Kinder

Kinder mit angeborenem Herzfehler hatten vor einigen Jahrzehnten noch kaum Überlebenschancen. Heute können sie dank moderner Medizin ein (fast) normales Leben führen.

Was geht in Eltern vor, die erfahren, dass ihr Kind an einer Erkrankung des Herzens leidet? Wie bewältigen sie und ihre Kinder dieses Schicksal?

Denn die Geburt eines „Herzkindes“ verändert das Leben grundlegend. Medizinische Untersuchungen, operative Eingriffe, Spitalaufenthalte und die Unsicherheit vor den wiederkehrenden Kontrollterminen bestimmen den Alltag. Damit verbunden sind viele Ängste in Bezug auf Kindergarten, Schule und Freizeitverhalten. „Was darf mein Kind? Was darf es nicht?“, sind Fragen, die Eltern ein Leben lang begleiten. Ebenso kann die Berufswahl nicht nach Neigung erfolgen, sondern nur unter Berücksichtigung der Erkrankung.

Daher leiden Eltern oft unter einem Mix unterschiedlicher Gefühle – dem Bangen um das Wohlergehen des Kindes, Erleichterung über ein positives Ergebnis, Überforderung, diffusen Schuldgefühlen (haben wir etwas falsch gemacht?) und auch Zorn. Auf das Schicksal, auf Gott und auch auf jene Menschen, die ihre Kinder im Laufe der Zeit aufgrund der Beeinträchtigungen kränken. Trotz allem ist in diesen Familien auch das Glück zuhause: Kinder, die Spaß an ihrem Leben haben, und Eltern, die aus oft unbekannten Quellen große Kraft schöpfen …

Eine Frage von Minuten

Gerade das Herz zeigt während der Schwangerschaft häufiger Fehlbildungen als andere Organe.

Das liegt vermutlich daran, dass es sich beim Embryo sehr früh formt.

Schon in der sechsten Woche ist ein Herzschlauch erkennbar, der sich zu verschiedenen Schleifen und Kammern ausformt. Manchmal genügt dabei eine Verzögerung von einigen Minuten und das Herz weist eine Beeinträchtigung auf. Einer der schwersten Defekte ist das „hypoplastische Linksherz­Syndrom“. Dabei verfügt das Kind nur über ein halbes funktionsfähiges Herz.

Früher starben die betroffenen Babys meist daran. Heute kann ihr Leben sehr oft mit besonderen Eingriffen gerettet werden.

Die Herzfunktion

Ein gesundes Herz funktioniert folgendermaßen: Die rechte Herzkammer pumpt das Blut durch die Lungenarterie zur Lunge. Dort wird Kohlendioxid abgegeben und das Blut mit Sauerstoff angereichert. Von da gelangt es über die Lungenvene in die linke Herzkammer. Über die Hauptschlagader fließt es dann in alle Organe und Muskeln. Ist der Sauerstoff verbraucht, fließt das Blut in die rechte Herzhälfte zurück, und alles beginnt von Neuem.

Wenn ein Kind nur über eine Herzhälfte verfügt, stellen die Ärzte künstlich Aderverbindungen her, die das Blut direkt in die Lunge leiten. Mit Sauerstoff versorgt, fließt es nun in den rechten Teil des Herzens und von dort in den Körper.

Da das Herz eines neugeborenen Babys ungefähr so groß wie eine Walnuss ist, verlangen solche Operationen Chirurgen äußerste Präzision ab.

Ursachen für angeborene Herzfehler bei Kindern und Risiken

Die genauen Ursachen von angeborenen Herzfehlern sind nicht zur Gänze geklärt, aber Statistiken bieten einige Hinweise.

So haben Frauen, die in der Schwangerschaft Alkohol, Drogen oder bestimmte Medikamente konsumieren, ein größeres Risiko, ein herzkrankes Kind zu gebären. Auch Infekte, Diabetes und damit ein stark schwankender Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft sowie Vererbung spielen eine Rolle.

Die Medizin hat im Bereich der Herzchirurgie jedenfalls enorme Fortschritte gemacht. So ist es heute möglich, ein Kind schon im Mutterleib zu operieren. Allerdings birgt der Eingriff immer noch Risiken für Mutter und Kind. Ärzte entscheiden sich daher meist nur dann dafür, wenn das Baby sonst schon vor der Geburt sterben könnte oder schwerste Folgeschäden zu erwarten sind. In Österreich werden solche Operationen nur an der Landesfrauen­ und Kinderklinik Linz durchgeführt.

800 Kinder jährlich

Angeborene Herzschäden, die von alleine heilen, gibt es übrigens auch. So können kleine Löcher in den Wänden der Herzkammern in den ersten Lebensmonaten ohne operative Eingriffe zuwachsen.

Ungefähr 800 Kinder pro Jahr werden in Österreich mit einem Herzfehler geboren. Davon weisen etwa die Hälfte schwere Verläufe auf. In manchen Fällen sind mit dem kranken Herzen auch andere Erkrankungen verbunden: 50 Prozent der Kinder, die mit Downsyndrom zur Welt kommen, leiden auch an Herzfehlern. Beim Turnersyndrom wiederum liegt oft eine Verengung der Hauptschlagader vor, und es betrifft nur Mädchen.

Operation oder Transplantation?

Wenn das eigene Herz zu krank ist, um noch operiert zu werden, kann eine Transplantation helfen.

Die heute 27­-jährige Sarah Plattner aus Roppen in Tirol wurde mit einem Herzmuskelschwund geboren, der erst im sechsten Lebensjahr aufgrund ihrer Atemnot entdeckt wurde. Obwohl beide Eltern gesund sind, starb ihr 18 Jahre älterer Bruder mit zwölf an derselben Erkrankung. Sarah erhielt zunächst Medikamente und musste alle sechs Wochen zur Kontrolle ins Spital. Als sich ihr Zustand verschlechterte, rieten die Ärzte zur Herztransplantation. Sarah sieht heute einen großen Vorteil darin, dass sie damals ein Kind war und die Tragweite der Ereignisse nicht erfassen konnte. Der Eingriff verlief komplikationslos, auch danach ging es ihr gut. Von der Spenderin weiß sie nur, dass „das Mädchen kleiner und jünger“ war. Sarah lebt heute ohne Beeinträchtigungen. Sie nimmt Medikamente zur Blutverdünnung und Immunsuppressiva, die verhindern, dass ihr Körper das Herz als fremdes Organ abstößt.

Momentan beschäftigen sich Sarah, die als Sekretärin beim Kinder­ und Jugendamt arbeitet, und ihr Freund Dominik mit der Familienplanung. Vor einer Schwangerschaft möchte sie eine genetische Beratung in Anspruch nehmen. Nach zehn bis 15 Jahren muss ein transplantiertes Herz getauscht werden. Doch dieser Gedanke belastet Sarah nicht. Schon als sie damals ihr neues Herz erhielt, fragte sie ihre Mutter nur: „Werde ich jetzt die gleichen Menschen lieb haben wie vorher?“

Zur Bedeutung psychologischer Unterstützung von betroffenen Familien meint Elisabeth Cermak: „Eine Therapie ist oft wichtig, um nicht von Angst und Schuldgefühlen aufgefressen zu werden.“ Und Eli Piribauer sagt: „Das Leben ist so kostbar. Auch wenn wir vor Herausforderungen stehen: Genießen wir es!“

Krankes Herz, glückliche Kinder

Moritz Pirlbauer, 10 Jahre aus Gloggnitz (Steiermark) mit seiner alleinerziehenden Mutter Elisabeth

„Ich liebe Sport!“

Unmittelbar nach der Frühgeburt von Moritz erfuhr Eli, die selbst kleinwüchsig ist, dass ihr Sohn mit der Herzkrankheit Fallot’sche Tetralogie auf die Welt gekommen war. Ebenso kleinwüchsig, hatte Moritz sechs Finger an jeder Hand und einen doppelten kleinen Zeh. Beides wurde entfernt. Mit fünf Jahren musste er zum zweiten Mal eine Herzoperation über sich ergehen lassen, bei der ein Loch in der Herzklappe mit der Klappe eines Kalbs verschlossen wurde. In einigen Jahren wird er wieder operiert.

Moritz geht gerne mit seiner Mutter Wandern, Radfahren, Schwimmen und Eislaufen. Eli: „Ich achte auch darauf, dass es mir gut geht. Denn nur dann geht es auch ihm gut.“ Kraft findet sie im Schamanismus, und ihr Lebensmotto lautet: „Egal, was passiert, ich schaffe das!“ Manchmal wird der lebensfrohe, quirlige Junge aber nachdenklich und sagt zu seiner Mama: „Ich will nicht sterben. Und ich will auch nicht, dass du stirbst.“ „Dann weiß ich“, so Eli, „dass ihn dieses Thema beschäftigt.“

Leon Cermak, 7 Jahre mit seiner Mutter Elisabeth und Vater Markus aus Oberrohrbach (Oberösterreich)

„Ich habe meinem Papa das Leben gerettet“

Der kleine Leon kam als Frühchen auf die Welt. Sein Vater, Markus, leidet an der angeborenen Herzkrankheit Fallot’sche Tetralogie, bei der Fehler der Herzlappen, Herzkammern, der Herzscheidewand und der Aorta vorliegen. Zwölfmal wurde Markus bisher operiert, und sein Oberkörper ist von Narben übersät. Diese Erkrankung ist nicht vererbbar. Trotzdem hatte Elisabeth nur einen Gedanken: „Hoffentlich ist unser Kind gesund.“

Bei der Geburt erfuhr sie, dass Leon das Downsyndrom hat. Zwei Wochen später dann die schlimme Nachricht – Leon leide an derselben Herzerkrankung wie sein Vater. Die erste Reaktion der Mutter war Fassungslosigkeit und furchtbare Trauer. Dann sagte sie in einem stillen, innigen Moment zu ihrem Baby: „Mein Schatz, du entscheidest, ob du bleiben oder gehen willst.“ Mit fünf Monaten wurde Leon operiert, und das blieb bis heute der einzige chirurgische Eingriff. Auch Dauermedikamente muss er nicht einnehmen.

Seine Eltern sagen: „Er ist ein richtiger Sonnenschein und niemals schlecht gelaunt.“ Im Supermarkt stupst er Leute, die grimmig schauen, an und meint: „Lach jetzt!“. Dennoch begegnen ihm nicht alle offen und freundlich. Einmal sagte ein Kind zu ihm: „Du Trottel gehst in die Behindertenschule.“ Elisabeth brach es fast das Herz, als sie dicke Tränen über seine Wangen rollen sah. Die fröhliche Natur hat Leon von seinem Vater, der trotz seines Schicksals mit dem Rucksack durch Indien reist und im Dschungel zeltet. Elisabeth ist darüber nicht erfreut, aber sie weiß, wie wichtig diese Reisen für ihren Mann sind.

Vor allem nach einem ganz bestimmten Erlebnis, bei dem der kleine Leon zum Lebensretter wurde. Als er neun Monate alt war, planten die Eltern ihre Hochzeit. In der darauffolgenden Nacht erlitt Markus einen plötzlichen Herztod. Nach sechs Wochen im Koma wurde Elisabeth zum Abschiednehmen ins Spital gerufen. Sie betrat mit ihrem kleinen Sohn die Intensivstation und stellte den Kinderwagen an sein Bett. Und das Wunder der Familie geschah, so meinten auch die Ärzte. Denn Markus, der im Sterben lag, öffnete wieder die Augen – gegen jede medizinische Wahrscheinlichkeit hatte der Sohn seinen Vater ins Leben zurückgerufen. Eine unglaubliche Geschichte, von der auch Leon selbst gerne erzählt. Und seine Eltern wissen: Die Krankheiten ihres Sohnes sind keine Strafe für irgendetwas, sondern im Gegenteil: „Leon ist ein Geschenk!“

Marie-Sophie Kacher, 1,5 Jahre mit Mutter Patricia und Vater Christopher aus Hagenberg (Oberösterreich)

„Unser Sonnenschein“

„Im fünften Monat der Schwangerschaft erfuhr ich bei einer Routineuntersuchung, dass mit dem Herzen meines Babys etwas nicht in Ordnung ist. Im AKH Wien sagte man, dass unser Kind an einer Transposition der großen Arterien leidet. Dabei ist die Verbindung von Lunge und Hauptschlagader verdreht. Wir waren zutiefst geschockt“, erzählt Patricia. „Eine Woche nach der Geburt wurde meine kleine Tochter operiert. Die Zeit davor war die reinste Hölle, aber dann ging alles gut.“

Heute ist Marie-Sophie ein fröhliches Kind. Sie liebt ihre Puppe Mimi und tollt im Freien herum. Patricia: „Unser Dackel Nala lag von Anfang an vor ihrem Bettchen, und die beiden verstehen sich blendend. Sie muss einmal im Jahr zur Kon trolle, aber sie kann ein ganz normales Leben führen. Wir werden sie zu einem selbstbewussten Mädchen erziehen, das mit seiner Narbe auf der Brust kein Problem hat.“

Die Botschaft der Mutter an betroffene Eltern: „Stellt bitte keine Warum-Fragen. Denkt vielmehr: Das Baby hat sich genau uns als Eltern ausgesucht, weil es wusste, dass wir das schaffen.“

AKTION Kinderherz Österreich: Hilfe für Eltern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern

„Als selbst betroffene Eltern kennen wir die Sorgen und Bedürfnisse der Familien mit Herzkindern“, sagt Obmann Bernhard Kolarik. Im Verein bieten wir wichtige Informationen, Möglichkeiten zum Austausch und verschiedene Veranstaltungen wie Sommercamps, Familienurlaube, Sport für Herzkinder, Aktivitäten für die Jugendgruppe „Heartbeat“, medizinische Vorträge und vieles mehr.“

Zudem werden regelmäßig die kardiologischen Stationen besucht, und es gibt engen Kontakt zu Ärzten, Schwestern, Eltern und Kindern. „Wir stellen auch das Büchlein ,Merts Herzoperation‘ mit Bildern zur Verfügung, in dem ‚Dr. Wuschel‘ die kleinen Patienten von Anfang an im Spital begleitet. Das kann die Angst etwas mildern.“

Alle Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig.

Wer spenden möchte: Verein Aktion Kinderherz

IBAN AT 49 3200 0000 1107 2915

BIC RLNWATWW

Kontakt: Verein AKTION KINDERHERZ ÖSTERREICH Obere Augartenstraße 26–28, 1020 Wien Tel.: 0676/3841298, Internet: www.kinderherz.at

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