Bildung

Homeschooling: Mein Kind geht nicht zur Schule

Rund 2.000 Kinder werden in Österreich zu Hause unterrichtet. Wir haben mit Familien gesprochen, deren Kinder keine Schule besuchen und ihre Schulpflicht dennoch mit Bravour absolvieren.

Stellen Sie sich vor, Ihr Kind geht nicht zur Schule und weiß trotzdem, wie Photosynthese funktioniert oder ein guter Deutschaufsatz geschrieben wird. Und an der Berechnung von Querschnitten und anderen Flächen scheitert es ebenso wenig wie an der Frage, wann und warum denn der Erste Weltkrieg ausbrach. Gleichzeitig hilft es gerne im Haushalt mit und kocht auch schon mal ein Essen für die Familie und spielt zwischendurch mit seinen Geschwistern. Genau das ist Homeschooling.

Rund 2.000 Kinder werden in Österreich zu Hause unterrichtet. Die gesetzliche Grundlage dazu liefert das Schulpflichtgesetz im § 11 Abs. 2: „Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.“ Die Abmeldung selbst ist ein Formalakt, der vor Beginn eines Schuljahres beim jeweils zuständigen Landesschulrat zu erfolgen hat. Seit geraumer Zeit praktiziert dies die Familie Laurien, das sind die Eltern Helward und Vera sowie die Kinder Mats (Jahrgang 99), Jana (Jahrgang 2001) und Vera (Jahrgang 2005). Sie ermöglichten familiii einen Einblick in ihren Alltag, aber auch in eine abwechslungsreiche Familiengeschichte, die von einer intensiven und ehrlichen Suche nach der besten Lebensweise für alle Beteiligten geprägt war und ist.

So begann die Reise zum Homeschooling

Dass der Anfang kein einfacher war,  Helward Laurien zu erzählen: „Geboren wurden unsere Kinder in Deutschland, allerdings verließen wir aufgrund der schwierigen Heimschulsituation in Deutschland das Land 2007 Richtung Neuseeland. Da wir eine schwerbehinderte Tochter haben (es war schon ein Wunder, dass wir für vier Jahre ein Arbeitsvisum mit ihr genehmigt bekommen hatten) und aufgrund der Beeinträchtigung nie eine Daueraufenthaltsgenehmigung erteilt bekommen hätten, verließen wir 2012 Neuseeland zunächst nur mit fünf Koffern bepackt Richtung Europa. Wir wussten, dass, wenn wir weiterhin Homeschooling machen wollten, wir nicht nach Deutschland umsiedeln konnten. Letztendlich fanden wir Arbeit und Wohnung in Österreich und konnten so den häuslichen Unterricht fortsetzen, der letztendlich nächstes Jahr beendet sein wird, wenn Jana ihre A-Levels des britischen High School Diploma GCE beendet hat. Dann wird auch Mats seine Ausbildung zum Werkzeugbautechniker abgeschlossen haben.“

Lernen als abwechslungsreicher Alltag

Beim Homeschooling findet Lernen in der Familie statt, oft bei alltäglichen Tätigkeiten wir Spaziergängen, Spielen etc. Vera Laurien: „Die Kinder lernen auch voneinander – häufig erwerben die jüngeren Fähigkeiten und Wissen von den älteren. Kinder innerhalb einer Familie haben ja auch unterschiedliche Gaben und Begabungen, sodass sie einander helfen können. Gleichzeitig lernen sie miteinander, wenn sie zum Beispiel ein Projekt zusammen durchführen. Aber das ist eigentlich kein so großer Unterschied zur Schule.“ Und Mats: „Ich fand es einfacher, wenn man an einer Sache zusammenarbeitet oder ein Thema bearbeitet. So blöd es sich vielleicht anhört … aber Konkurrenz spornt auch an. Andererseits ist man im Miteinander viel kreativer zusammen.“ Jana wiederum meint: „Genossen habe ich die gemeinsamen Vorlesestunden auf dem Sofa. Heute lesen wir immer noch zusammen“.

Der große Stress: Externistenprüfung

Einzige Bedingung für den häuslichen Unterricht ist die regelmäßige Externistenprüfung vor einer Kommission über den Lernfortschritt. Vera Laurien: „Konfliktpotenzial gibt es eigentlich immer. Ob mit oder ohne häuslichen Unterricht. Natürlich gab es auch genug Spannungen, gerade wenn Prüfungen anstanden und keiner Lust hatte zum Lernen oder getrödelt wurde. Da spürt man dann den Druck, den man von außen bekommt.“ Denn wer die Externistenprüfung nicht besteht, hat keinen Anspruch auf Wiederholung, sondern wird per Bescheid zum Schulunterricht verpflichtet. Zum Glück kommt das äußerst selten vor, es fallen nur sehr wenige Kinder bei der Externistenprüfung durch.

Vor- und Nachteile

Die Vorteile des Homeschooling bringt Mats Laurien, der beide Systeme kennt, auf den Punkt: „Wir haben bis heute einen sehr großen Familienzusammenhalt. Die Externistenprüfungen haben wir gemeinsam gemeistert und uns gegenseitig unterstützt – auch wenn es vor den Prüfungen stressig war. Heute ist es eher so, dass man einen anderen Stress hat, da jeder ständig irgendwo unterwegs ist und man kaum noch Zeit für Gemeinschaft hat, die wir früher so genossen haben.“

7 Tipps zum Homeschooling in Österreich

1. Wie geht die Abmeldung von der Schule?
Durch ein formloses Schreiben an den zuständigen Landesschulrat. Darin zeigt man an, dass das Kind seine Schulpflicht durch häuslichen Unterricht erfüllen wird.
2. Wie oft darf ein Kind zur Externistenprüfung antreten?
Grundsätzlich ist eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich, weil der Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts nicht geleistet werden konnte. Somit ist das Kind zum Besuch der Schule verpflichtet.
3. In welchen Fällen ist von Homeschooling abzuraten?
Eltern, die wenig Zeit haben und beruflich sehr eingeteilt sind, werden sich mit Homeschooling schwertun, da es doch erheblichen Zeitaufwand bedeutet.
4. Erzeugt der gemeinsame Unterricht zwischen Eltern und Kindern erhöhtes Konfliktpotenzial?
Wenn man von Beginn der Schulpflicht an Homeschooling macht, ist die Gefahr dafür relativ gering.
5. Warum muss man vor der ersten Klasse Volksschule an der Schuleinschreibung teilnehmen?
Jedes Kinder muss zu Beginn seiner Schulpflicht gemäß § 6 Schulpflichtgesetz zur Schuleinschreibung kommen, d. h. bei der zuständigen Sprengelvolksschule vorgestellt und angemeldet werden. Dies erfolgt meist im Februar.
6. Ist Homeschooling effektiv?
Die Eltern haben es in der Hand. Bei richtigem Einsatz kann in zwei bis drei Stunden täglich der akademische Teil des Lernstoffs absolviert werden.
7. Wie pflegen Homeschooling-Kinder soziale Kontakte zu Freunden etc.?
Prinzipiell nicht anders als Kinder, die in eine normale Schule gehen. Allerdings fällt auf, dass der Kontakt zu unterschiedlichen Altersgruppen stärker ausgeprägt ist.

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