Erziehung

Ich will das aber nicht anziehen!

Wenn Kinder beginnen selbstständiger zu werden, möchten sie auch die Kleidung die sie tragen selber auswählen. Da das manchmal nicht auf Anhieb klappt, sind Diskussionen und Konflikte vorprogrammiert.

Das Thema Kleidung sorgt in vielen Familien immer wieder für Stress und Streit. Sei es frühmorgens vor dem Kindergarten, der Schule, beim Familienausflug oder bei Familienfesten. Aussagen wie „Ich will das nicht anziehen!“ oder „Ich möchte denselben Rock wie meine Freundinnen!“ von der Kinderseite sind dabei ebenso zu hören wie „So lasse ich dich nicht aus dem Haus!“ oder „Mit dieser Kleidung wirst du sicher krank!“ von der Elternseite. Beginnen sich Kinder im Kindergartenalter selbstständig anzuziehen, möchten sie irgendwann auch selbst bestimmen, was sie tragen. Da die Auswahl der Kleidung oft nicht mit der Meinung der Eltern zusammenpasst, sind Konflikte vorprogrammiert.

„Grundsätzlich ist die selbständige Kleiderwahl des Kindes ein Zeichen für das Streben nach Eigenständigkeit. Das kann von den Eltern durchaus als ein erfreuliches Ereignis gesehen werden“, erklärt Kinder- und Jugendcoach Nicole Stolz und weiter: „Belehrungen sind nicht förderlich, führen zumeist zu Streit und können die Eigeninitiative des Kindes unterbinden.“ Wird ein bestimmtes Kleidungsstück komplett verweigert, sollte man herausfinden, warum. Ist es vielleicht unangenehm zu tragen, stört der Kragen, juckt es oder gefällt es einfach nicht? Vielleicht hat sich auch ein anderes Kind im Kindergarten oder in der Schule darüber lustig gemacht. Die Ursachenforschung hilft, sich und dem Kind bei späteren Kleiderkäufen Enttäuschungen zu ersparen.

Solange das Kind dem Alter, Wetter und Anlass entsprechend gekleidet ist, sollte man ihm freie Hand lassen.

Kräftige Farben & Mustermix

Für Kinder bis sechs Jahren, spielen bei der Auswahl der Kleidung praktische Aspekte keine Rolle. Sie möchten schön sein und schießen dabei mitunter übers Ziel hinaus. Das hat auch biologische Gründe, denn bis zum Ende des Grundschulalters liegt die Reizschwelle von Kinderaugen noch höher als die von Erwachsenen. Kinder greifen daher eher zu kräftigen Farben, starken Kontrasten und wildem Mustermix. Durch diese Experimente sammeln Kinder jedoch Erfahrungen mit Farben, Formen und Materialien. „Ob die gewählten Kleidungsstücke optisch harmonieren oder eher gewagte Kombinationen sind, sollte die Eltern weniger aufregen. Wichtiger ist, dass eine Kleidung gewählt wird, die zum Wetter passt“, so Stolz.

Möchte das Kind im Sommer Gummistiefel und Wollpulli für den Kindergarten tragen, wird es sehr schnell merken, dass es viel zu heiß ist und beim nächsten Mal auf eine andere Kleidung zurückgreifen. Eltern können hier die Kleiderwahl des Kindes ruhig einmal gelassen akzeptieren, da das Kind gesundheitlich nicht zu Schaden kommen wird. Beim Familienausflug können Mama und Papa auch bequeme Schuhe und ein T-Shirt einpacken, damit sich das Kind, sobald die warme Kleidung unerträglich wird, umziehen kann.

Wenn die Kleiderwahl jedoch eine Gefahr für die Gesundheit des Kindes werden kann, müssen die Eltern die Verantwortung übernehmen und dementsprechend auf ihren Nachwuchs einwirken. „Im Winter, bei Minusgraden, kann die Wahl von Sandalen und dünner Weste für das Kind zumindest einen ordentlichen Schnupfen bedeuten. Hier können Eltern die Sprösslinge kurz im Freien testen lassen, ob die Kleidung für diese Temperaturen passend ist. Jedenfalls sollten die Eltern auf eine dicke Jacke und warme Stiefel bestehen, wenn das Kind leicht bekleidet außer Haus gehen möchte“, so Nicole Stolz.

Kleidung am Abend vorbereiten

In der Früh ist die Zeit in Familien meist knapp. Um sich morgendliche Diskussionen darüber zu ersparen was das Kind anzieht, wäre es ratsam, bereits am Vorabend das Kind zu bitten, die Kleider vorzubereiten, die es am nächsten Tag tragen möchte. Das nimmt Stress am Morgen und Eltern können durch Vorschläge oder Zeigen von Alternativen in die Kleiderwahl der Kleinen noch sanft einwirken. Dabei könnte man einen Kompromiss vorschlagen: Das Kind darf einen Teil der Kleidung z.B. T-Shirt oder Pulli aussuchen, die Eltern Hose, Leggins oder Rock. Accessoires wie Schuhe, Strümpfe, Schal, Gürtel und Mütze werden gemeinsam ausgesucht. So haben die Eltern auch die Möglichkeit, auf das Wetter hinzuweisen und warum es ratsam ist, im Winter Stiefel statt Lackschuhen oder Sandalen anzuziehen. Die getroffene Kleiderwahl sollte, vorausgesetzt der Wetterbericht hält, auch eingehalten werden. Hier ist Konsequenz bei den Eltern gefragt.

Wunsch nach Markenkleidung

Wenn Kinder größer werden, orientieren sie sich bei der Kleiderwahl oft an ihren Freunden, älteren Schulkindern oder Fernsehserien. Sie beginnen, sich über die Kleidung zu definieren. Und so sollen nun Markenkleidung oder angesagte Teile in den Schrank. „Bei Markenkleidung wird oft auf den Trendsetter der Klasse geschaut. Teures Gewand sticht den Teenagern oftmals ins Auge. Hier gilt es einen Kompromiss zu finden. Eltern, denen die finanziellen Mittel fehlen um teure Markenkleidung zu kaufen, können vorschlagen, dass das Objekt der Begierde als Geburtstagswunsch oder Weihnachtswunsch gewählt wird“, so Nicole Stolz. Eltern können auch ein bestimmtes, monatliches Kleiderbudget festlegen. Das Kind kann dann frei entscheiden, wie das Geld ausgegeben wird. Kauft es lieber ein teures Stück, mehrere billigere Teile oder spart es auf ein ganz bestimmtes, sehr teures Teil. Wichtig ist, dass das Budget nicht überschritten wird. Um den Wert der teuren Kleidung zu erkennen und zu schätzen, kann man auch vereinbaren, dass das Kind bestimmte Leistungen dafür erbringt. Es könnte etwa den Geschirrspüler ausräumen, den Müll wegbringen, mit dem Hund Gassi gehen oder auf die jüngeren Geschwister aufpassen. So lernt es auch, dass teure Kleidung keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Wahl der Kleidung findet bei Eltern oft keinen Anklang und führt zu Diskussionen in der Familie.

Sexy Kleidung

Mädchen möchten, sobald sie das Teenageralter erreichen, älter wirken und sich wie ihre erwachsenen Lieblingsstars anziehen. So stehen dann, zum Schrecken der Eltern, Miniröcke, Skinny-Jeans und bauchfreie Tops auf der Kleiderwunschliste. Oft sind sich Mädchen auch nicht bewusst, wie die sexy Kleidung auf ihre Umgebung wirkt. „Die Schmerzgrenze der Kleiderwahl der Sprösslinge ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Teenager probieren sehr gerne unterschiedlichste Kleidung und werden mit der Zeit ihren eigenen Stil finden. Manchmal geht es um Provokation oder Aufmerksamkeit, manchmal darum, den Körper in übergroßer Kleidung zu verstecken. Jede Familie soll gemeinsam entscheiden, ob das kurze Top und die extrakurze Hose für den gewählten Tag passend ist, oder nicht. Schulen haben oft Vorschriften, die bei der Kleiderwahl berücksichtigt werden müssen“, erklärt Stolz. Auch hier kann ein Kompromiss helfen und die sexy Kleidung „entschärfen“. So könnte man zum Beispiel vorschlagen, unter dem Minirock ein Leggins anzuziehen oder über das bauchfreie Top, zumindest auf dem Schulweg, eine Weste oder Jacke zu tragen.

 

„Grundsätzlich ist die selbstständige Kleiderwahl des Kindes ein Zeichen für das Streben nach Eigenständigkeit“
Nicole Stolz
Kinder- und Jugendcoach

Forum

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Insgesamt 0 Beiträge

Wir setzen Cookies auf dieser Website ein, um Zugriffe darauf zu analysieren, Ihre bevorzugten Einstellungen zu speichern und Ihre Nutzererfahrung zu optimieren. weitere Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close