Coronavirus

Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

Corona mit all den Begleiterscheinungen kann Frauen an ihre Grenzen bringen. Und von solch einer Überforderung zu einem „nicht mehr können“ und auch „nicht mehr wollen“ ist es oft nur ein kleiner Schritt. Was kann betroffenen Frauen helfen, wieder Kraft und Mut zu schöpfen?

Wir leben in extremen Zeiten. Kaum jemand bleibt von den Herausforderungen, die nun schon über ein Jahr andauern, unberührt. Doch ganz besonders treffen Homeoffice, Fernunterricht, Hinein- und Hinaus-Testen, eigene Ängste, die Ängste des Partners und der Kinder, existenzielle Sorgen und eine allgemeine Ungewissheit in Bezug auf die Zukunft. Sie als Frau. Sie sind als Mutter, Partnerin, und nicht zuletzt als eigene Person in der Regel mehr gefordert als die anderen Familienmitglieder.

Warum stehen Frauen jetzt besonders unter Druck?

Einerseits ist es eine Tatsache, dass die Belastungen enorm gestiegen sind. Sehr wahrscheinlich lag das Familienmanagement schon vor Corona in Ihren Händen und diese Tätigkeit hat sich nun verdoppelt oder verdreifacht. Auf der anderen Seite neigen gerade Sie als Frau dazu, sich zu viel aufzubürden. Und das noch möglichst perfekt. Den Kindern und Ihrem Mann soll es den Umständen entsprechend gut gehen, allfällige Probleme müssen aus der Welt geschafft werden und der Job fordert schließlich auch Leistung. Der Haushalt sollte nicht verkommen, Kinder müssen je nach Alter beaufsichtigt, aber auch bespaßt werden und die Sorgen der ganzen Familie mögen sich doch bitte durch Ihre Zauberkräfte irgendwie in Luft auflösen. Das ist ein ganz schön intensives Programm für eine einzelne Person. Im Idealfall helfen natürlich alle zusammen, um die diversen Schwierigkeiten zu lösen. Aber wie oft gibt es schon diesen idealen Fall? Und so wird jeder und alles bedacht – nur eine Person nicht: Sie!

Sind Sie an dem Punkt angelangt, an dem Sie nicht mehr wollen? Oder einfach nicht mehr können?

Eine erste Anlaufstelle ist zum Beispiel die Elternseite von „Rat auf Draht“ (siehe Expertinnen-Interview). Psychologin Corinna Harles: „Wir sind Ansprechpartner für alle Ihre Probleme. Wenn wir nicht helfen können, sehen wir uns als Drehscheibe und arbeiten gut vernetzt. So geben wir zum Beispiel bei schwerwiegenderen, psychischen Problemen wie Depressionen, starken Ängsten oder Selbstmordgefährdung an Experten wie Psychiater weiter.“ Nehmen Sie eine Krisenzeit auch zum Anlass, sich einmal besonders liebevoll um sich selbst zu kümmern. Ehrlich – wann haben Sie das das letzte Mal getan?

Es ist hilfreich, dabei folgende Punkte zu beachten:

• Auch wenn es sich so anfühlt – Sie sind nicht die Managerin des Universums. Dieser Job ist bereits an höherer Stelle vergeben. Entscheiden Sie daher genau, wofür Sie tatsächlich die Verantwortung haben und wofür eben nicht.
• Lernen Sie zu sagen: „Nein!“ Auch wenn manche Mitglieder Ihrer Familie das so gar nicht gerne hören – dieses Zauberwort kann Ihnen dabei helfen, bei Kräften zu bleiben.
• Nehmen Sie Hilfe in Anspruch. Das kann ganz pragmatisch zum Beispiel eine Putzdame sein, aber auch ein Psychologe, Coach oder Körpertherapeut. Diese Herrschaften wurden dazu ausgebildet Ihnen zu helfen. Also keine Scheu!
• Wenn nötig können auch Paargespräche gerade jetzt Unterstützung bieten.
• Machen Sie sich mit einer einfachen Atemübung vertraut und praktizieren Sie diese so oft als möglich. Auf 1-2-3 ruhig und tief einatmen, kurz innehalten, und auf 1-2-3-4-5-6 langsam ausatmen, bringt Sie rasch wieder in Balance.
• Gönnen Sie Ihrem Körper Verwöhn-Behandlungen mit Peelings, duftenden Cremen, Fußbädern und Gesichtspackungen, aber auch Bewegung.
• Trinken Sie viel Wasser (nein, nicht als Limonade oder Kaffee, sondern pur!), und achten Sie besonders auf Ihre Ernährung.
• Und wenn es passt – kuscheln Sie und haben Sie Sex.

Sie sind eine tolle Frau, die vielleicht gerade jetzt durch eine Krise geht. Aber Sie werden sie bewältigen und am Ende gestärkt daraus hervorgehen.

Ich bin so erschöpft – wie soll es nur weitergehen?

Doris, 39
(Benni 7, Carlos 1, Henrietta 13,
verheiratet mit Herbi, 45)

Ich arbeite seit längerer Zeit im Homeoffice, was mir anfangs sehr gut gefallen hat. Mittlerweile wünschte ich von Herzen, ich könnte das Haus verlassen, um arbeiten zu gehen. Bei uns daheim herrscht das reine Chaos. Benni hat das Homeschooling sehr schlecht vertragen, weil er kaum in der Lage war, sich zu konzentrieren. Also musste ich ihm natürlich bei allen schulischen Belangen helfen. Henrietta wird von Tag zu Tag aggressiver. Sie knallt die Türen zu, schreit bei der kleinsten Gelegenheit und befolgt weder Bitten noch deutlichere Anweisungen.

Zuerst war ich nur wütend, aber jetzt mache ich mir Sorgen um sie. Neulich hat sie ganz ruhig gesagt: „So ein Leben will ich nicht. Da kann ich mich ja gleich umbringen.“ Ich war total schockiert und habe selbst zu weinen begonnen. Da hat sie dann gemeint: „Kein Grund zur Aufregung. Das habe ich nur so gesagt“. Es war für mich so besonders schlimm, weil ich ehrlich zugeben muss, dass ich selbst schon solche Gedanken hatte. Nur mein Baby Carlos bleibt inmitten des Tumults ruhig. Ich fühle mich in dieser herausfordernden Zeit völlig allein gelassen. Mein Mann arbeitet nicht zuhause, ist ständig unterwegs und kümmert sich daheim um gar nichts. Es ist auch nicht möglich mit ihm zu reden, weil er sofort in unserem Schlafzimmer verschwindet und den Fernseher aufdreht.

Kinder, Haushalt, Arbeit – alles muss ich bewältigen. Ich kann wirklich nicht mehr. Was soll ich nur tun?

RAT UND HILFE

Rat auf Draht: 147, rund um die Uhr, für Kinder, Jugendliche und – neu – auch für Erwachsene Helpline des Berufsverbands österreichischer PsychologInnen: 01/504 8000, Montag bis Freitag 9.00 – 16.00 Uhr oder via Mail helpline@boep.or.at
Telefonseelsorge: 142
Ö3-Kummernummer: 01/116 123, täglich 16 – 24 Uhr
Frauenhelpline: 0800 222 555
niedergelassene Psycholog-/PsychotherapeutInnen

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