Gesundheit

Kann ich das essen oder bringt mich das um?

Im Sommer sind Kinder viel im Freien und treffen auf ihnen unbekannte (Wild-)Pflanzen. Auch die Großen wissen oft nicht, was sie da vor der Nase haben. Ein neues Pflanzenbestimmungsbuch schafft Abhilfe. „familiii“ hat sich genauer mit genießbaren und giftigen Pflanzen auseinandergesetzt.

Jakob düst mit dem Rad im Garten herum. Kurz nicht aufgepasst, stürzt er und hat eine Schürfwunde am Knie. Während die Mama versucht, den weinenden Buben zu beruhigen, springt Rosalie, die große Schwester, mit den Worten „ich such‘ einen Spitzwegerich“ auf. Kurz danach kommt sie mit einem länglichen, grünen Blatt mit parallel ständigen Blattadern zurück, reißt ein Stück ab und zerwuzelt es zwischen den Fingern, bis der Saft rauskommt. Sie legt den „Gatsch“ auf Jakobs „Aua“ und macht ihm damit ein „Wiesenpflaster“. „Weil der Spitzwegerich hilft, wenn man sich wehtut. Und wenn eine Biene sticht“, so Rosalie. Woher die Sechsjährige das weiß? Erst ein paar Stunden zuvor hat uns Kräuterpädagogin Stephanie Pritz besucht und uns dabei vieles über die Pflanzen in unserem Garten erzählt.

Sammel-Grundregeln

Aber von Anfang an: Die zertifizierte Kräuterpädagogin erklärt uns erst einmal die Basics fürs Wildpflanzen sammeln: nur pflücken, was man sicher kennt, mit Bedacht sammeln und nur so viel nehmen, dass niemand merkt, dass schon jemand dort gesammelt hat. Außerdem weist sie darauf hin, dass man nie die ganze Pflanze mitnehmen soll (wenn man die Wurzel verwenden möchte, nicht zu viele davon nehmen) und dass es auch geschützte Arten gibt, die nicht gesammelt werden dürfen.

Stephanie hat in den vergangenen Jahren im Sommer auch Kräuter-Workshops für Kinder angeboten. Hier bringt sie den Kids bei, drei bis vier Pflanzen zu bestimmen – und Regel Nummer eins lautet natürlich: „Nur pflücken, was ihr benennen könnt!“ Ab welchem Alter sich Kräuterkunde eignet? „Ich mache die Workshops für Kinder ab sechs Jahren, da sie dann schon das nötige Verständnis dafür mitbringen“, so Stephanie. Kennt man sich als Erwachsener allerdings selbst gut mit Wildpflanzen aus, spricht nichts dagegen, Kinder schon von Anfang an damit vertraut zu machen (siehe Interview mit Katrin und Frank Hecker). Auch Stephanie hat ihrem fünfjährigen Sohn schon viel über wildwachsende Kräuter und Früchte beigebracht.

Kinder und Wildpflanzen

Die Kinder in unserer Kräuter-Erkundungsrunde sind im Alter zwischen zwei und sechs Jahren. Anfangs sind alle interessiert, aber das altersbedingt größere Durchhaltevermögen haben die beiden Sechsjährigen. Und das erste Kraut auf unserer Entdeckungstour kennt Elena schon: „Das ist eine Käsepappel!“ Richtig, auch so wird die Weg-Malve genannt. Da man die hellrosa Blüten essen kann, probieren wir gleich davon. Das können wir machen, weil unser Garten unbehandelt ist. Stephanie erklärt uns außerdem, dass die Weg-Malve als Tee, genossen bei Atemwegserkrankungen, hilft.

Schafgarbe, Weißer Gänsefuß, Futterwicke, Beifuß, Wiesen-Bocksbart und Stinkstorchschnabel findet die Kräuterpädagogin beim Weitergehen. Dann kommen wir auch schon zum eingangs erwähnten Spitzwegerich: Stephanie erklärt uns, was es mit dem Heilkraut auf sich hat. Außerdem bittet sie Rosalie die Augen zuzumachen. Sie soll das Spitzwegerichblatt mit allen Sinnen wahrnehmen, die ledrige Oberfläche und die Blattadern mit den Fingern ertasten bzw. daran riechen. Fühlen, riechen, schauen: Das Gehirn kann so die Pflanze besser im Gedächtnis abspeichern.

Kräuterbüschel u.a. mit Spitzwegerich, Futterwicke, Hirtentäschel, Honigklee.

Es stellt sich heraus, dass in unserem Garten unter anderem noch Nelkenwurz, Honigklee und echtes Johanniskraut wachsen. Zu vielen Kräutern weiß Stephanie auch Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel, dass früher alle einen Holunderbaum im Garten hatten. Als Jenseitspflanze hatte man großen Respekt vor ihm und hat dem Holunder sofort berichtet, wenn etwas passiert ist. Wenn man die giftigen schwarzen Beeren gekocht hat, sagte man früher, man solle das „Fenster offen lassen, damit die Hollerhexe raus kann“ – sonst bekommt man Kopfweh.

Sachinfo, Geschichten und Mythen

Die Kräuterwanderung hat uns Spaß gemacht und eine geballte Ladung neues Wissen gebracht. Egal, ob in der Wiese oder am Waldrand – wer Wildpflanzen sammeln möchte, sollte gut Bescheid wissen. Hier bieten sich Workshops, Kräuterwanderungen und der Besuch botanischer Gärten an. Und: Es empfiehlt sich auch, jemand Kräuterkundigen in den eigenen Garten einzuladen – gerade, wenn man kleine Kinder hat. Rosalie ist nach wie vor begeistert von Wildpflanzen und legt sich und Jakob jetzt jeden Abend Gänseblümchen aufs Butterbrot.

Die TOP 5 der leckersten Wildpflanzen:

Holunder – Die Blüten werden gerne zu Sirup verarbeitet, in Palatschinkenteig herausgebacken oder getrocknet. Der Blütentee hilft bei Erkältungskrankheiten. Die schwarzen Beeren sind schwach giftig und erst nach dem Kochen genießbar. Vorsicht, giftiger Doppelgänger: Zwerg-Holunder.

Knoblauchsrauke – Das Gewürzkraut ist verdauungsfördernd, wirkt antimikrobiell. Blüten und Samen schmecken scharf-pfeffrig, die Blätter nach einem Mix aus Knoblauch und Senf, die Wurzeln nach Meerrettich.

Bärlauch – Enthält viel Vitamin C und Mineralstoffe, regt den Stoffwechsel an. Achtung, sehr giftige Doppelgänger sind Maiglöckchen und Aronstab.

Brombeere – Immunstärkend mit Vitamin C, Vitamin A und wertvollen B-Vitaminen.

Brennnessel – Reich an Mineralstoffen und entzündungshemmend. Gesammelt und gegessen werden die oberen Triebspitzen (mit Schere und Handschuhen) sowie im Spätsommer die kleinen Samen.

Die TOP 5 der giftigsten Wildpflanzen:

Aronstab – Junge Blätter sind ähnlich wie Bärlauch-Blätter und können deshalb leicht verwechselt werden. Aufpassen: Kann direkt neben Bärlauch wachsen. Auch die roten Früchte später sind giftig.

Eibe – Nadeln und Samen im roten Mantel sind sehr giftig. Vorsicht: Nicht mit Fichtennadeln verwechseln.

Maiglöckchen – Giftige Blüten, Blätter und Beeren. Vorsicht: Können inmitten von Bärlauchbeständen sitzen.

Pfaffenhütchen – Alle Teile des Strauchs – insbesondere die orangefarbenen Samen – sind stark bis tödlich giftig.

Fingerhut – Alles am Fingerhut ist bereits in kleinen Mengen tödlich giftig. Achtung: Die Blattrosette vor der Blütezeit kann mit der von Königskerzen oder Nachtkerzen verwechselt werden.

Das Buch:

Kann ich das essen – oder bringt mich das um?
Katrin Hecker, Frank Hecker
Verlag: KOSMOS
ISBN 978-3-440-16326-9
Preis: € 17,50

Unsere Experten:

 

Stephanie Pritz
Biomedizinische Analytikerin und zertifizierte Kräuterpädagogin, bietet Kräuter-Spaziergänge und Workshops an.
www.facebook.com/Kraeuterenergie/

 

Katrin und Frank Hecker
sind Diplom-Biologen mit den Schwerpunkten Botanik, Zoologie sowie Meeresbiologie. In ihrem neuen Naturführer „Kann ich das essen – oder bringt mich das um?“ (KOSMOS) geben sie ihr Wissen über essbare und giftige Wildpflanzen sowie Tipps zum Sammeln anschaulich weiter.

Wichtige Info:
Bei Vergiftungsverdacht bietet die Vergiftungsinformationszentrale rund um die Uhr telefonische Beratung an – Tel.: +43 (1) 406 43 43

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