Moms only

Krieg der Mütter

Die eine weiß es besser als die andere. Bezüglich Kinderkriegen und Erziehen wüten unter Müttern oft regelrechte Glaubenskriege. Es wird kritisiert, beschimpft und beleidigt. Am Spielplatz, in den Mütterrunden, in den Social-Media-Kanälen, am Arbeitsplatz – Mütter-Mobbing findet tagtäglich statt. Wie sich Frau gegen Besserwisserei, ungebetene Ratschläge & Co zur Wehr setzt!

Wie man’s macht, macht man’s falsch. Diesen Satz würden wohl viele Mütter – und bestimmt auch Väter – sofort unterschreiben. Irgendwer hat immer irgendwas zu bemängeln: an der Art, wie Frau ihre Rolle als Mama anlegt (gilt freilich auch für die Papas), am Umgang mit den Kindern bzw. an den erzieherischen Entscheidungen.

Mom Shaming – oder die böse Macht der Müttermafia

Viele Mütter kennen dieses Problem. Irgendwie scheinen es in puncto Kinderkriegen oder Erziehen alle anderen immer besser zu wissen. Alle anderen sind erfahrungsgemäß die Omis, Tanten, Bürokolleginnen, Schwiegermütter, routinierte Mamis. Vorwiegend also andere Frauen und Mütter.

Die Kommentare können mitunter ziemlich harsch sein, so ziemlich das Gegenteil von dem, was man unter einem wohlwollenden Erfahrungsaustausch unter Müttern versteht. Statt sich gemeinsam in ihrer Mütterrolle zu bestärken, bilden sich bei den Mamis häufig unterschiedliche Meinungsfronten. Zu allen nur erdenklichen Baby- und Kinderthemen wird kritisiert, es wird versucht, sich gegenseitig zu missionieren, es hagelt nur so an gut gemeinten Ratschlägen – völlig ungefragt wohlgemerkt.

Auf alle Fälle eine natürliche Geburt, drängen die einen, denn das natürlichste der Welt sei den Frauen wohl zumutbar. Wobei ganz so natürlich braucht’s dann auch wieder nicht zu sein: eine Hausgeburt! Um Himmels Willen – wie unverantwortungsvoll! Warum sich überhaupt den ganzen Schmerz antun, tönt es dagegen aus der Kaiserschnitt-Fraktion. Ist das Kind dann da, geht das Besserwisserei-Gehabe in die nächste Runde. „Was, du stillst nicht?“, nörgeln die einen. „Habt ihr noch gar nicht impfen lassen?“, kritisieren die anderen. „Mit fünf Monaten in der Fremdbetreuung ist schon ein bissi früh!“, schieben die einen Panik, während die anderen Alarm schlagen, weil das Kind mit drei noch im Elternbett schläft. Besonders treffsichere Kritikmanöver kommen üblicherweise von den frisch gebackenen Omis, die auf längst überholte Erziehungsmethoden schwören („Du musst es schreien lassen und auf keinen Fall verwöhnen!“), die blöderweise so gar nicht zu den Attachment-Parenting-Mantras aus dem Mutter-Kind-Kurs passen. Nicht zu vergessen, die leidige Beruf-Kind-Polarisierung: Mütter, die zeitig nach der Geburt des Kindes wieder ins Erwerbsleben gehen, werden als Rabenmütter herabgewürdigt. Während jene, die die Zeit bei den Kindern ausdehnen, als Glucken degradiert werden. Nicht umsonst gleicht auch der Spielplatz oftmals mehr einem Kriegsschauplatz: Vermeintliche Helikopter-Mamis hier, die jeden Tritt ihrer Spösslinge mit Argusaugen verfolgen und nichts als kleine Muttersöhnchen heranerziehen würden. Eitle Büromamis dort, die ständig nur an die eigene Karriere denken würden, während sie den Nachwuchs der Nanny überlassen.

Warum gegen anstatt miteinander?

Darüber, wie böse und teils diffamierend Mütter zuweilen gegenüber anderen Müttern vorgehen, hat Familientherapeutin Katharina Pommer ein Buch geschrieben. In „Stop MomShaming“ beschreibt die fünffache Mama Mütter-Mobbying als ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Phänomen. Die unzähligen Beschämungen, der oftmalige Rechtfertigungsdruck vieler Mütter aufgrund ihrer erzieherischen Entscheidungen, herabwürdigende und bissige Kommentare hätten nämlich mitunter schwerwiegende Folgen.

„Auf Frauen und Müttern lastet ein unglaublicher innerer Druck, der sich leider ungünstig auf den Gesundheitszustand, die Psyche und den Selbstwert auswirkt“, weiß Pommer aus ihrer langjährigen Erfahrung als Therapeutin. Fragt sich freilich, woher eigentlich dieses Gegeneinander kommt und warum Mütter sich sozusagen nicht solidarisch verschwestern? Buchautorin Pommer glaubt, dass Frauen heutzutage mit zahlreichen, teils sogar übermenschlichen Erwartungen konfrontiert seien. Sie sollen irgendwann Kinder kriegen, weil sonst stimme ja was nicht mit der Weiblichkeit. Aber bloß nicht zu viele, denn wir sind ja schließlich keine Karnickel.

Die Mütter sollen freilich auswärts arbeiten gehen, aber nicht zu viel, weil Kinder brauchen die Mama. Sie sollen Haushalt machen, aber auch nicht zu viel, weil sonst wäre ja die emanzipatorische Frauenbewegung umsonst gewesen. Selbst auf Frauen, die (noch) keine Kinder haben, laste extrem viel Druck. Gefühle der Beschämung kennen Frauen, die sich am Arbeitsplatz fürs Kinderkriegen rechtfertigen müssen genauso wie jene, die sich bewusst gegen Nachwuchs entscheiden. Diese Auseinandersetzung mit dem ewig schlechten Gewissen, den lähmenden Schuldgefühlen und der großen Angst vieler Mütter, in der Erziehung Fehler zu machen, habe auch viel damit zu tun, wie die Rolle der Mütterlichkeit generell in unserer Gesellschaft angelegt sei.

Kränkungen kommunizieren – achtsam miteinander umgehen

Mutterschaft hafte laut Autorin Pommer der Touch des Traditionellen, Veralteten an. Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene wird das sogenannte „Ich-krieg-alles-hin-Modell“ propagiert, das Frauen dazu ermutigt, Kinder zu kriegen und gleichzeitig ihrem Beruf, ohne allzulange Unterbrechung, nachzugehen. Mit der Folge, dass Zeitmangel und Zerrissenheitsgefühle den Alltag berufstätiger Mütter oft dominieren. „Der Druck, den viele Mütter erleben, wandelt sich oft in Frust um, der sich wiederum darin äußert, dass andere Mütter kritisiert werden, um sich letzten Endes selbst besser zu fühlen“, sagt Pommer.

Auch die Unsicherheit im Bezug auf eigene Entscheidungen würden Mütter immer wieder ins Wanken bringen und oft in Neid und Streitigkeiten ausufern. Das ständige Mobbing könne aber laut Pommer auch Normalzustand sein. „Ich kenne Frauen, die das gar nicht mehr bewusst wahrnehmen und irgendwann sagen: Hört doch auf zu jammern. Als Mutter muss man eben verzichten!“. Wie Pommer meint, keine gute Entwicklung, weil viele schlichtwegs damit aufhören würden, über ihre Gefühle zu sprechen oder sich an Dritte zu wenden. Über Überlastung oder andere psychische Probleme dürfe man sich in weiterer Folge nicht wundern. Als Therapeutin rät Pommer dazu, stets offen über Bedürfnisse zu sprechen, statt „alles runterzuschlucken“. Kommunikation unter Frauen und Müttern müsse wieder wertschätzender sein. Beratung und Vergleiche sollten auf Wohlwollen und Verständnis basieren. Macht es wer anders, brauche man sich nicht darüber zu mokieren. Toleranz und Gelassenheit seien wichtige Elemente für einen achtsameren Umgang miteinander. Statt sich gegenseitig zu bekriegen und zu missionieren, könne man aufeinander zugehen, Hilfe anbieten und sich darin bestärken, was im Grunde alle einen sollte: nämlich die Lust an der Mütterlichkeit und die Erziehung von Kindern hin zu glücklichen Erwachsenen.

 

Katharina Pommer
Familientherapeutin und Buchautorin
www.mindshift.family

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