Medien

Selfies erforschen: Zwischen Narzissmus und Identität

Selfies sind zum festen Bestandteil der Bildkultur unserer Zeit geworden. Sowohl Prominente als auch Privatpersonen nehmen spontane Schnappschüsse von sich selbst in verschiedenen Settings auf, um sie dann in Sozialen Medien zu veröffentlichen. jetzt werden sie wissenschaftlich erforscht.

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Denkt man etwa an die Reaktionen auf das Selfie, das der junge Syrer Anas Modamani 2015 mit Kanzlerin Angela Merkel aufgenommen hat, wird deutlich: Selfies haben auch Einfluss auf die Entstehung von Ideen, Werten und Handlungsentscheidungen. Das Selfie als Phänomen wirft viele Fragen auf, die es interdisziplinär zu erforschen gilt – von der Kommunikations- und Medienwissenschaft über Philosophie und Ethik bis hin zu Kulturwissenschaften, Religionspädagogik oder auch Wirtschaftswissenschaften. Ist das Selfie Sinnbild für die Stärkung von Schwachen oder Vorbote einer narzisstischen Epidemie? Sollte man es feiern oder sollte man es gar reglementieren? Denn immerhin kamen 2015 mehr Menschen beim Knipsen von Selfies ums Leben als bei Hai-Angriffen.

Influencerinnen und Influencer im Selfie-Check

Gemeinsam mit Studierenden haben Forschende der Eichstätter Journalistik im vergangenen Semester den Charakter von Selfies untersucht, die prominente Influencerinnen und Influencer aus Bereichen wie Mode, Lifestyle oder Sport veröffentlichen. Für zehn von ihnen wählten die Studentinnen und Studenten jeweils 15 Instagram-Stories heraus. „Generell zeigt sich, dass das klassische Selfie als einzelnes Standbild abgelöst worden ist von kurzen Videos. Damit spielt nicht mehr nur die Bildgestaltung eine Rolle, sondern auch der Inhalt des Gesagten“, schildert Korbinian Klinghardt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Eichstätter Journalistik und hat die Studierenden gemeinsam mit seinem ehemaligen Kollegen Dr. Jonas Schützeneder sowie Juniorprofessorin Dr. Karin Boczek bei ihrer Inhaltsanalyse begleitet.

Gestenfreie Kommunikation

Ein besonderer Fokus lag daher auf dem Zusammenspiel von Bild und Audio, also der Frage, wie Influencerinnen und Influencer kommunikativ durch Mimik und Sprache Botschaften vermitteln. Wie sich gezeigt habe, lebe das Selfie von der direkten Ansprache an die Nutzerinnen und Nutzer, komme jedoch ohne ergänzende Gestik aus. „Überrascht hat uns, dass rund 60 Prozent der Inhalte ohne erkennbare optische Filter veröffentlicht wurden, mit denen man etwa Farbtöne nachträglich bearbeiten kann“, so Klinghardt. Zudem untersuchten die Studierenden den sogenannten „self-pride“ – also, wie ausgeprägt der Stolz auf die eigene Biographie oder den eigenen Besitz in Bild und Wort präsentiert werden. „Der zur Schau gestellte Narzissmus war in der Stichprobe deutlich geringer ausgeprägt als man vermuten würde. In lediglich 20 Prozent der allgemeinen Inhalte wurde ,self-pride‘ als eher oder sehr stark erkannt. Mit knapp 50 Prozent überdurchschnittlich hoch war der Self-Pride-Bezug dann jedoch in werbelastigen Formaten der Influencerinnen und Influencer.“ Aus Perspektive der Kommunikationswissenschaft fehle für das Phänomen Selfie bislang, so Klinghardt, noch weitere theoretische und empirische Grundlagenarbeit.

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