Erziehung

Erziehung ohne Schreien: Tipps zum Ruhe bewahren

Erziehen ohne Zorn

Erziehung ohne Schreien und Ausrasten

Erziehung ohne schreien und schimpfen – ist das möglich? Ja!

Die Britin Sheila McCraith lebt mit ihrem Mann und ihren vier Söhnen – und es war ihr immer unangenehm, dass sie gerade in der Erziehung gegenüber ihren geliebten Kindern so oft die Beherrschung verlor und sie anschrie. Es war ihr peinlich – und sie fühlte sich mit dem Problem allein. Am 20. Jänner 2012 fasste sie deswegen einen Beschluss: Sie wollte ihre Kinder für mindestens ein Jahr nicht mehr anschreien. Sollte ihr das nicht gelingen, würde sie die Frist von vorne beginnen und um noch zwei Tage verlängern. Selbst als Fan einer Ganz-oder-gar-nicht Mentalität wusste sie um die Größe und Schwierigkeit dieses Vorsatzes und begann deswegen, einen Blog über ihre Erfahrungen zu schreiben. Dieser Blog sollte helfen, reflexiv mit dem Thema umzugehen und sich aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Genauso hoffte sie aber zu Recht auf Austausch mit anderen und das Gefühl, mit dem Problem nicht allein zu sein. Die Einträge in dem Blog hat sie mittlerweile in dem Buch „Erziehen ohne Ausrasten“ eingearbeitet.

Kinder einbeziehen

Die Wiener Psychologin Simone Fröch weiß um die Anlage in uns Menschen jeden Alters, auf manche Situationen mit Zorn zu reagieren.

Bei Kindern ist das Schreien und Lautwerden eine angeborene Eigenschaft, die ihnen hilft, auf sich aufmerksam zu machen, wenn sie nicht sprechen können. Mit dem Älterwerden sollte es ihnen gelingen, andere Ausdrucksformen zu finden.

„Wir Erwachsenen können ihnen dabei helfen, indem wir ihnen zuhören und Worte für das finden, was sie in den jeweiligen Konflikt bringt,“ erklärt dazu Simone Fröch. Und sie kennt die stressigen Situationen mit Kindern, die Erwachsene an den Rand ihrer Gefasstheit bringen: „Wenn die kleine Judith ihre Schuhe nach der fünften Aufforderung noch immer nicht an hat, kann der Geduldsfaden schon zum Zerreißen gespannt sein. Papa hat es eilig, weiß sich keinen Rat mehr und möchte explodieren. Tief durchatmen, sich die eigene Hilflosigkeit eingestehen und der Tochter das auch sagen, kann ein erster Schritt dafür sein, um sich selbst und die Situation zu beruhigen.“

Gesammelte Erfahrungen zur Erziehung ohne Schreien

Dazu rät auch Sheila McCraith. Sie beschreibt, wie sie auch ihren Kindern von ihrer Herausforderung erzählt und von deren Reaktion. Als sie ihren Jüngsten fragt, was es für ihn bedeutet, dass Mama nun nicht mehr schreien und stattdessen ruhiger reagieren will, antwortet dieser: „Ich darf auch nicht schreien. Aber in der Nase popeln darf ich.“

Humor und Ablenkung sind immer wieder auch Strategien, um eine schwierige Situation aufzulösen. Ihr Buch hat Sheila McCraith in 30 Kapitel – wenn gewünscht, für 30 Tage des Lesens – gegliedert. In diesen Einträgen beschreibt sie jeweils Erfahrung aus ihrem Alltag, beschreibt daraus gezogene Schlüsse, gibt Vorschläge für konkrete Maßnahmen und noch konkretere Tipps. Die 30 Kapitel hat sie in die Bereiche „Umgewöhnungszeit“, „Achtsam werden“, „Mit den Triggern umgehen lernen“ oder auch „Halten sie durch“ gegliedert.

Tipps zum Ruhe bewahren - Erziehung ohne Schreien
Es gibt einen Unterschied sowohl in der Lautstärke und den Worten, als auch in dem, was ausgedrückt wird.

Ganz schlecht ist Abwerten

Dass Eltern mal laut werden, muss dabei nicht zwangsläufig zu Problemen oder Schäden führen. Simone Fröch erläutert das in einem Beispiel: „Der Papa von Judith kann irgendwann dann doch ausrasten und laut schreien: ,Ich kann das nicht mehr aushalten! Komm jetzt sofort her!‘. Oder er kann schimpfen: „Du bist das blödeste Kind auf der Welt. Wenn du nicht sofort kommst, bist du schuld, wenn ich den Job verliere! Du zerstörst mein Leben!“ Das jedoch ist Abwerten, Drohen und Beschuldigen. Und das ist psychische Gewalt: „Das ist dann unabhängig davon, ob laut oder leise, dafür genügt schon ein entsprechender Blick oder eine verächtliche Geste.“

Es gibt also einen Unterschied sowohl in der Lautstärke und den Worten, als auch in dem, was ausgedrückt wird. Simone Fröch weiter; „Wenn der Grund für das elterliche Ausrasten eine Situation mit dem Kind ist, dann merkt das Kind jetzt: ‚Hoppla, jetzt reicht’s‘.“ Dabei zu beachtende Gefahren können sein: dass das Kind sich darüber erschreckt und Angst vor den Eltern kriegt, dass es lernt, Konflikte mit Gewalt zu lösen, oder auch, dass es eigene Bedürfnisse nicht mehr zeigt, damit niemand böse wird. Sie weist weiter darauf hin, dass es für Kinder kein gutes Beispiel ist, wenn sich die Fehler wiederholen. Doch diese verzeihen vieles, sobald sie sehen, dass man daraus gelernt hat und Fehler seltener werden.

Erziehung ohne Schreien und Schimpfen
Erziehung ohne Schreien - stattdessen: Ruhe bewahren. Kann das gelingen?

Alternativen zum Schreien und Tipps zum Ruhe bewahren (die jeder sofort umsetzen kann)

Sheila McCraith arbeitet in ihrem Buch unter anderem mit dem Bild von orangefarbenen Nashörnern – diese sind als Tiere sehr sanftmütig, können aber grob werden, wenn sie sich angegriffen fühlen. Sie will anders sein. Sie schließt ihr Buch mit praktischen Tipps für den Alltag und Alternativen zum Schreien und zeigt knackig, wie man bei sehr häufigen und bekannten Triggern anders reagieren kann. Simone Fröch meint abschließend: „Es gibt immer mehrere Wege, auch wenn man manchmal länger danach Ausschau halten muss und manchmal dazu ein zweites Augenpaar braucht.“

Ein paar Alternativen zum Schreien und Tipps zum Ruhe bewahren haben wir noch, damit man seinem Kind auch in schwierigen Situationen ruhig und liebevoll begegnen kann:

  • Zählen: Kurz innehalten und rückwärts zählen von 5, 10 oder auch 20, wenn man ganz aufgebracht ist. Das hilft wunderbar, um sich zu besinnen.
  • Neue Perspektive einnehmen: Wenn man dann ein wenig ruhiger ist, hilft es darüber nachzudenken, ob es wirklich so schlimm ist. Manchmal hilft der Perspektivenwechsel zu sehen, wie schön so „verrückte“ Dinge sein können.
  • Rausgehen: Wenn auch das nicht hilft, dann kurz aus der Situation gehen und wieder zu sich kommen bzw. Energie tanken.
  • Auf seine Ressourcen achten: Das ist nicht unbedingt ein Tipp für eine Akutsituation, aber ein wichtiger Aspekt, um gar nicht so leicht auf 180 zu kommen. Eltern müssen auf ihr Ressourcen achten und schauen, wie sie im Alltag Zeit für sich finden können. Vielleicht sind es 10 Minuten Meditation in der Früh, ein Kaffee am Nachmittag oder ein paar Waffeln.
  • Entschuldigen: An manchen Tagen ist einem alles zu viel. Ob es nun eine kurze Nacht war, Stress auf der Arbeit oder eine schlechte Nachricht, die einen aus der Bahn geworfen hat. An solchen Tagen reagiert jeder empfindlicher und der Geduldsfaden reißt schneller. Hat man also überreagiert, dann hilft eines: Sich entschuldigen und dem Kind erklären, was los ist.
  • Singen: Ja, das hilft wirklich! Durch das Singen kann die aufgestaute Energie raus – und wahrscheinlich ist es in der Situation so unpassend, dass alle zu lachen beginnen. Wunderbar!

 

Jeser Juul sagt in seinem Buch „4 Werte, die Kinder ein Leben lang tragen“ dazu:

„Wenn Eltern frustriert über die Beziehung zu ihren Kindern sind, ist das jedoch niemals die Schuld der Kinder. Vielmehr stehen Sie in der Verantwortung, Ihren eigenen Beitrag zur Gesamtsituation zu ändern. Wenn wir dem Kind die Schuld geben, kränken wir seine persönliche Integrität und reduzieren seine Lebenstauglichkeit.“

Mehr dazu: Kinder anschreien – ein Zeichen von Hilflosigkeit

Haben Sie noch Tipps für andere Eltern, was in schwierigen Situationen hilft? Hinterlassen Sie einen Kommentar!

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