Bildung

Interviews: Reif für den Kindergarten?

Magdalena Rankl, Pädagogin und Elternberaterin bei „Rat auf Draht“, über die schwierige Zeit der Eingewöhnung von Kindern im Kindergarten und wie sie Eltern dabei bestmöglich unterstützen können.

Eltern sollten sich vom Weinen beim Abschied nicht verunsichern lassen!

Magdalena Rankl ist Pädagogin und Elternberaterin bei Rat auf Draht

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Wie stellt man fest, ob das Kind reif für den Kindergarten ist?

Das ist eine sehr individuelle Sache, denn jedes Kind ent- wickelt sich unterschiedlich. Rein am Alter kann man die Reife jedenfalls nicht festmachen, denn es gibt Kinder, die mit zwei schon bereit sind und solche, die mit vier damit nicht zurecht kommen.

Wie können Eltern einen guten Start in den Kindergarten fördern?

Es gibt begünstigende Faktoren, die man vorab üben kann. Kinder, die zum Beispiel schon mal von den Großeltern oder Babysittern betreut wurden, tun sich mit der Eingewöhnung oft leichter. Auch die Vertrautheit mit der Interaktion mit anderen Kindern etwa durch den Besuch von Spielplätzen kann förderlich sein.

Ihre Ratschläge an Eltern, deren Kin- der sich mit dem „Loslassen“ schwer tun bzw. sind es oft auch die Eltern selbst, die nicht abgeben können?

Sie sagen es. Vielfach haben Eltern Schuldgefühle, weil sie ihr Kind früh abgeben oder sie tun sich schwer damit, Verantwortung abzugeben. Da hilft es jedenfalls, die eigene Haltung und die eigenen Gefühle zu reflektieren und zu prüfen, woran das liegen kann. Für Eltern sollte sich mit der Eingewöhnung das Gefühl einstellen, dass das Kind im
Kindergarten gut aufgehoben ist. Deshalb sollten Eltern einen guten Kontakt mit der Einrichtung pflegen und sich mit den Pädagoginnen auch über Sorgen oder Bedenken austauschen, um letztendlich die nötige Vertrauensbasis herzustellen.

Wichtig ist, sich immer klar und herzlich zu verabschieden!

Magdalena Rankl ist Pädagogin und Eltern- beraterin bei Rat auf Draht

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Wie kommuniziert man in der Trennungssituation mit den Kindern?

Wichtig ist, dass man den Kindern bereits vorab Lust auf den Kindergarten macht. Dass man ihre Neugierde auf diesen neuen Ort weckt, an dem das Kind so viel entdecken und vor allem auch seine Selbständigkeit entfalten kann. Eltern sollten dem Kindergarten also mit einer positiven Haltung begegnen und beim Verabschieden möglichst nicht die eigenen negativen Gefühle weitergeben. Kinder spüren nämlich Unsicherheit oder auch eine ablehnende Haltung der Eltern gegenüber dem Kindergarten und reagieren entsprechend. Das Ver- abschieden sollte sich grundsätzlich nicht in die Länge ziehen. Ganz wichtig ist jedenfalls, sich herzlich und klar zu verabschieden und nicht einfach zu gehen, in der Meinung, man erspart dem Kind dann den Trennungsschmerz.

Was aber, wenn das Kind beim Abschied weint?

Eltern sollten sich vom Weinen nicht verun- sichern lassen. Trennungsschmerz ist völlig normal. Da sind dann die Pädagoginnen am Zug: Gelingt ihnen das Trösten des Kindes, ist das schon der Beginn für eine vertrau- ensvolle Bindung des Kindes zu seinen Be- zugspersonen in der Einrichtung. Oftmals braucht es mehrere Trennungsversuche – man sollte sich auf jeden Fall erkundigen, wie die übliche Vorgehensweise im Kinder- garten ist. Außerdem können Rituale, wie eine bestimmte Verabschiedungsgeste, da- bei helfen, hier Routine hinein zu bekommen.

Was tun, wenn es mit der Eingewöh- nung einfach nicht klappen will?

Man sollte keinesfalls Druck aufbauen. Sich hier wirklich die nötige Zeit zu nehmen und behutsam vorzugehen, ist absolut lohnend. Denn klappt diese erste große Veränderung gut, meistern die Kinder auch spätere, ähnliche Veränderungssituationen leichter. Manchmal helfen kleine Tricks, wie ein Kuscheltier oder ein Schmusetuch mitzunehmen. Manchmal macht es Sinn, dass die Eingewöhnung vom anderen Elternteil übernommen wird, bei dem der Abschied vielleicht leichter fällt. Ich rate stets zu Gesprächen mit den Pädagoginnen, eventuell auch zu professioneller Hilfe und Beratung. Notfalls müsste ein späterer Einstieg oder eine alternative Betreuungsform wie zum Beispiel eine Tagesmutter in Erwägung gezogen werden.

Maria Schuckert, Pädagogin und Fachberaterin im Hilfswerk NÖ erklärt, wie Eltern erkennen können, ob ihr Kind bereit für den Kindergarten ist

Es ist für Kinder eine unbedingte Notwendigkeit, zu seinen betreuenden Bezugspersonen eine sichere Bindung aufzubauen.

Maria Schuckert, Pädagogin und Fachberaterin im Hilfswerk NÖ

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Kinderbetreuungsmöglichkeiten und damit einher- gehende pädagogische Konzepte sind hierzulande mittlerweile vielfältig und unterliegen seit Jahren einem permanenten Wandel. So viele junge Kinder wie nie zuvor werden in Kindertageseinrichtungen betreut. Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlangt gesellschaftspolitisch immer höhere Bedeutung. Damit einher geht auch ein Wandel, was die Kindergartenreife-Kriterien betrifft. Einst gültige Merkmale wie Alter, Sauberkeit oder Selbstständigkeit als Anhaltspunkte bzw. gar als Voraussetzung für eine Aufnahme in den Kindergarten sind heutzutage passé. Vielmehr geht es nun darum, das Augenmerk auf neue, aus der pädagogischen und entwicklungspsychologischen Forschung bekannte, Aspekte zu legen. Oberste Prämisse hat der Faktor „Be- ziehung“. Wir wissen aus der Bindungsforschung, dass es für Kinder – egal welchen Alters – von unbedingter Notwendigkeit ist, zu seinen betreuenden Bezugspersonen eine sichere Bindung aufzubauen. Anderenfalls sind das Wohlfühlen und Lernen für das Kind erschwert. Als Basis dafür ist eine kindfokussierte Eingewöhnung unumgänglich. In dieser sensiblen Zeit ist es nötig, genaue Beobachtungen anzustellen und die Eingewöhnung individuell zu gestalten. Ebenso können Gruppengröße bzw. Betreuungsschlüssel Kriterium sein, in Zusammenhang mit der sozialen Reife, aber auch mit den kindlichen Bedürfnissen. Aus der Forschung ist bekannt: Je jünger das Kind, desto bedürfnisorientierter muss es versorgt werden. Für die gesunde Entwicklung, v.a. von sehr jungen Kindern, ist es notwendig, prompt und angemessen auf deren Bedürfnisse zu reagieren. Man muss bedenken, dass Kinder (vor allem wenn sie neu in der Einrichtung sind) mit vielen Eindrücken und Reizen konfrontiert sind, die sie fordern und anstrengen und die es zu verarbeiten gilt. Nach Möglichkeit wählt man die Betreuungsform entsprechend. Hier stehen, je nach Wohnort, beispielsweise Tageseltern, Krippe, der klassische Kindergarten oder altersgemischte Einrichtungen zur Auswahl. Als Ausgleich ist es für Kinder hilfreich, ihnen ausreichend unverplante Zeit zum Entspannen und freien Spielen zur Verfügung zu stellen.

Abschließend sei noch festgehalten: Es empfiehlt sich zu beobachten, ob es dem Kind in der Betreuung in seinen Grundbedürfnissen gut geht (Liebe, Geborgenheit, Sicherheit, Schutz, etc.). Im Rahmen einer aktiv gelebten Erziehungspartnerschaft mit dem betreuenden Personal sollte gemeinsam das Wohl des Kindes im Auge behalten werden. Und letztlich: Auch Sie als Elternteil müssen „reif“ dafür sein, Ihr Kind in den Kindergarten zu geben.

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