Golden Generation

Konflikte zu Weihnachten: Müssen wir uns denn immer streiten?

Die harmonische Weihnachtsidylle ist eine Illusion. Konflikte und Spannungen gehören zu Weihnachten. Mit etwas Umsicht lassen sie sich aber reduzieren.

Muss das sein? Wortgefechte unterm Christbaum, böse Blicke beim Weihnachtsessen, Sticheleien in der großfamiliären Runde. Wenigstens einmal im Jahr könnten sich doch alle zusammenreißen!Die Kinder, der Partner, die Schwiegermutter. Ist ein harmonisches Weihnachtsfest tatsächlich zu viel verlangt? Wahrscheinlich schon. Am Heiligen Abend und in den Tagen danach kracht es. So sehr sich die Feiernden Eintracht bei Kerzenschein und Weihnachtsbratenduft wünschen: Die Realität sieht in vielen Familien oft anders aus. Womit wir bereits beim Problem wären. Denn: Gerade weil die Erwartungen an das Weihnachtsfest in der Familie so groß sind, werden sie so oft enttäuscht. „Zu Weihnachten wird die Harmonie auf den Altar gestellt“, sagt die Psychotherapeutin Brigitte Moshammer-Peter. Hollywood, Instagram, Werbung – Weihnachtsidylle wo man hinschaut. „Und wenn die Idylle in der eigenen Familie nicht stattfindet“, sagt Moshammer- Peter „ist die Enttäuschung umso größer.“ Konflikte und Spannungen gehören zum Leben und deshalb auch zu Weihnachten. Sie lassen sich gleichzeitig mit etwas Umsicht reduzieren.

Kindliche Anspannung entlädt sich

Familien mit Kleinkindern rät die Psychotherapeutin, die kindliche Anspannung am Heiligen Abend nicht noch mehr zu pushen. „Diese Anspannung beginnt ja bereits im Advent und wird bis zum großen Tag, dem Heiligen Abend, aufgebaut.“ Das Warten aufs Christkind, die Vorfreude auf die Geschenke, versperrte Räume in der Wohnung, Geheimniskrämerei: So schön all das für Eltern und Kinder auch sein mag, kleine Kinder stehen zu Weihnachten regelrecht unter Strom. Löst sich die Spannung abends vor dem Christbaum, drehen manche Kinder so richtig auf, andere brechen in Tränen aus oder werden unleidlich. Sü.igkeiten in Mengen tragen zur aufgekratzten Stimmung bei. Was Eltern tun können? Bereits während des Tages Gelegenheiten zum Rennen und Austoben einplanen. Und: „Zu wissen, dass die Kinder erst einmal Druck ablassen, hilft“, sagt Moshammer-Peter. Genügend Zeit zum Spielen zu reservieren auch. „Kinder, besonders die Kleinen, wollen mit den Geschenken, die sie bekommen haben, spielen.“  Ein ausgedehntes Weihnachtsmenü nach der Bescherung sorgt deshalb wahrscheinlich eher für Frust, bei den Eltern und bei den Kindern.

Ablauf planen

Größere Kinder können in die Vorbereitungen am Heiligen Abend miteinbezogen werden, beim Kochen helfen oder mit den Eltern den Baum schmücken. „Wichtig ist, dass sie nicht in eine Warteposition gedrängt werden und dass man sie nicht wie Kleinkinder behandelt“, sagt Moshammer-Peter. „Im Vorfeld kann man sie fragen, was sie sich wünschen und ihnen sagen, was man sich von ihnen erwartet.“ Unabhängig vom Alter der Kinder sind Rituale und ein vorher geplanter Ablauf hilfreich. Wann gibt es Essen, wann werden die Geschenke ausgepackt? Welche Lieder singen wir, lesen wir etwas vor? Auch Vereinbarungen sind sinnvoll, an die sich dann alle in der Familie halten. „Zum Beispiel, dass man ab halb fünf am Nachmittag die Handys ausschaltet“, sagt Brigitte Moshammer-Peter.

Feiermarathon bei Verwandten

Der Stresslevel rund um Weihnachten ist enorm. Viel zu tun gibt es nicht nur vor dem Heiligen Abend. Wer kann sich schon nach all den anstrengenden Vorbereitungen – Geschenke kaufen, Christbaumschmuck besorgen, Weihnachtsessen planen – einfach zurücklehnen und genießen? Im Gegenteil: Mit dem 24. Dezember beginnt in vielen Familien ein Besuchsmarathon, oft verbunden mit langen Autofahrten, viel Essen und wenig Zeit, um zur Ruhe zu kommen. „In diesen Tagen geht es bei vielen Schlag auf Schlag, es ist unglaublich dicht“ sagt Moshammer-Peter. Konfliktthemen, mit denen man sonst gut umgehen kann oder die normalerweise unter der Oberfläche bleiben, brechen auf, Spannungen werden spürbar, Emotionen entladen sich. Sich etwas Freiraum freizuschaufeln, nimmt Druck raus: Ein Spaziergang nur mit dem Partner, während die Kinder bei den Großeltern bleiben, ein paar Puffertage in der Kleinfamilie zu Hause, bevor es mit dem nächsten Verwandtschaftsbesuch weitergeht oder – ganz mutig – die Kaffeejause bei der Großtante absagen.

Keinen Streit vom Zaun brechen

Die, die am Heiligen Abend unterm Christbaum „Oh du fröhliche“ singen, sind keine anderen als die, die sich sonst darüber streiten, wer die letzte Rippe Schokolade bekommt oder wann das Zimmer aufzuräumen ist. Konflikte in der Familie sind ganz normal, warum sollte es zu Weihnachten anders sein? Dazu kommt: An Weihnachten treffen Familienmitglieder aus der Großfamilie aufeinander, die sich während des Jahres oft nicht so häufig sehen, die einander vielleicht sogar aus dem Weg gehen. Dann sitzt man auf einmal neben dem Cousin, dessen politische Ansichten man ganz und gar nicht teilt oder ärgert sich über den Erziehungsstil der Schwägerin. Nicht alles muss man ansprechen, sagt Moshammer-Peter. „Man kann sich schon im Vorhinein vornehmen, auf gewisse Themen einfach nicht einzugehen oder bewusst das Thema zu wechseln.“ Weihnachten, so die Therapeutin, ist nicht der richtige Zeitpunkt, um einen Streit vom Zaun zu brechen. „Es ist keine Niederlage, wenn man einen Konflikt vermeidet. Man nennt das resignative Reife, wenn man weiß, dass es sich bei einem bestimmten Thema nicht zu kämpfen lohnt.“

„Bei Treffen in der Großfamilie kann man sich schon im Vorhinein vornehmen, auf gewisse Streitthemen einfach nicht einzugehen.“

Brigitte Moshammer-Peter

Psychotherapeutin, www.psychotherapeutin.cc

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