Erziehung

Mein Kind ist ein Tyrann

Manche Kinder tyrannisieren die Eltern und ihre Umwelt. Sie schreien, toben und wollen mit allen Mitteln ihren Willen durchsetzen. Was steckt hinter diesem Verhalten und wie kann der Familie geholfen werden?

Es gibt Kinder, die rauben Eltern, Geschwistern, Verwandten und allen, die mit ihnen zu tun, haben durch ihr Benehmen den letzten Nerv – die sogenannten „Tyrannenkinder“. Damit sind kleine Personen gemeint, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und keinerlei Gefühle für andere aufzubringen scheinen. Völlig unbeeinflusst von liebevollen Ermahnungen, bestimmtem Auftreten, sogar Schreien oder dem Androhen von Konsequenzen wollen sie nur ihre eigenen Wünsche erfüllen.

Warum verhalten sich manche Kinder so?

Faktum ist: Kein Kind wird „schlimm“ geboren, sondern reagiert auf bestimmte Verhältnisse in seiner Familie. Es hat also immer eine Ursache, wenn kleine „Terroristen“ in ihrem Umfeld Angst und Schrecken verbreiten. Expertin Ines Berger: „Ein Kind kommt völlig hilflos zur Welt und könnte ohne Erwachsene nicht überleben. Nun lernt es sozusagen am Modell, wie Beziehungen gelebt werden, welche Werte wichtig sind, wie die Eltern mit ihren Gefühlen umgehen. Daher glauben Kinder, dass das, was in ihren Familien passiert, „normal“ ist. Wenn sie also ein „tyrannisches“ Verhalten zeigen, dann reagieren sie im Endeffekt auf etwas, das sie dort erleben.“

Den meisten Eltern ist es heutzutage wichtig, dass ihr Kind fähig ist, eigene Bedürfnisse selbstbewusst zu vertreten. Aber es sollte auch in der Lage sein, sich bei Bedarf zurückzunehmen und die Gefühle anderer wahrzunehmen und zu respektieren. Fragen Sie sich also ruhig, ob Sie als Eltern diesbezüglich ein gutes Vorbild sind.

Welche Verhaltensweisen sollten Eltern beherzigen, damit in ihrer Familie kein „Tyrannenkind“ heranwächst?

Zeigen Sie Ihre wahren Gefühle. Wenn Sie sich ärgern, freuen, trauern oder gerührt sind, sollten Sie ehrlich zu diesen Gefühlen stehen und dem Kind auch erklären, was Ihr „Verhalten“ zu bedeuten hat. So lernt es zum Beispiel, wie sich die Eltern gegenüber jemandem benehmen, der traurig ist: Sie kümmern sich um die andere Person, nehmen sie in den Arm, halten ihre Hand oder hören geduldig zu.

Geben Sie dem Kind klar und freundlich zu verstehen, wenn es Ihre Grenze überschreitet

Eltern neigen oft dazu, ihrem Kind zu viel durchgehen zu lassen – weil sie müde, erschöpft oder einfach überfordert sind. So können Kinder nicht lernen, ein Nein zu akzeptieren und auf die Erfüllung eigener Wünsche auch einmal zu verzichten.

Respektieren Sie Ihrerseits auch die Grenze des Kindes

Wenn ein Kind verbal oder nonverbal vermittelt, dass es etwas nicht möchte, sollten Eltern dies respektieren. Sonst lernt es nur, dass der Stärkere sich offenbar immer durchsetzt. Verwenden Sie also Ihre „Macht“ nur dann, wenn es gilt, Schaden von dem Kind abzuwenden.

Versuchen Sie nicht, Ihr Kind vor jeder Enttäuschung zu bewahren

Es ist für viele Eltern herausfordernd, ihr Kind traurig zu sehen, wenn etwas nicht wie erwartet funktioniert. Tun Sie nun nicht sofort alles, um eine Situation sofort zu bereinigen, sondern begleiten Sie Ihr Kind liebevoll durch die Enttäuschung. So hat es die Chance, durch Krisen stärker zu werden.

Schenken Sie Zuwendung, nicht nur materielle Dinge

Auch wenn das in einem hektischen Alltag manchmal unmöglich scheint: Setzen Sie sich immer mit den Gefühlen Ihres Kindes auseinander. Natürlich können Sie ihm auch ein Geschenk machen, aber „kaufen“ Sie sich damit nicht davon frei, liebevoll auf seine Bedürfnisse einzugehen.

Seien Sie sensibel für andere Ursachen, die Ihr Kind so belasten, dass es zum „Tyrannen“ wird

Das können Missbrauchs- oder Gewalterfahrungen, unverarbeitete Verluste, Mobbing, Einsamkeitsgefühle und jedes andere Problem sein, das für das Kind noch unlösbar erscheint.

Wie können Eltern ihren Kindern helfen, besser mit Frustration umzugehen?

Expertin Berger: „Es ist ganz wichtig, unangenehme Gefühle nicht abzuwerten, sondern anzuerkennen. Sagen Sie also nie „Das ist doch nicht so schlimm“, „Reg dich nicht auf!“ oder „Das wird eh wieder gut.“ Begleiten Sie Ihr Kind durch das Gefühl. Kleinen Kinder können Sie zeigen, wie Wut sich auflöst, indem man aufstampft, laut schimpft oder auf einen Polster einschlägt.“ Kinder haben Bedürfnisse, die erfüllt werden sollten, damit sie zu psychisch gesunden Erwachsenen heranwachsen können. Bedürfnisse sollten aber nicht mit Wünschen verwechselt werden, die NICHT erfüllt werden müssen. Ein Bedürfnis ist beispielsweise, die Aufmerksamkeit und Nähe der Eltern zu spüren und zu fühlen, dass es immer geliebt wird. Da sollte es keine Kompromisse geben, denn sonst besteht die Möglichkeit, dass ein Kind zum „Tyrannen“ wird, um sich auf diese Weise Aufmerksamkeit zu holen. Jedes Verhalten von Kindern hat eine Ursache – auch wenn es destruktiv, asozial oder aggressiv zu sein scheint. Immer ist es der Ausdruck innerer Not und damit ein Hilfeschrei. Verdammen Sie also Ihr „Tyrannenkind“ nicht, sondern finden Sie – wenn nötig mit professioneller Hilfe – heraus, was ihm und Ihnen helfen könnte.

Mariel, 39
verheiratet, Sohn Marius, 9

Mein Sohn bringt mich zur Verzweiflung

Ich gebe ehrlich zu, dass ich am Ende meiner Kräfte bin. Marius geht mit seiner unmöglichen Art immer wieder über meine Grenzen. Dabei haben mein Mann Thomas und ich sehr lange darauf gewartet, dass ich schwanger werde. Als Baby war er entzückend und nichts ließ darauf schließen, dass er sich zu einer Art Monster entwickeln würde. Es ist schlimm, dass ich das über mein Kind sage, aber genauso empfinde ich es. Mit drei Jahren wollte er unbedingt seinen Willen durchsetzen. Wenn das nicht möglich war, begann er dermaßen zu schreien und zu toben, dass er sich fast übergeben musste. Nachdem ich das nicht mitansehen konnte, gab ich meist nach. Im Kindergarten und später in der Schule terrorisierte er die anderen. Dabei hielt er sich an die Schwächeren. Er ging auf bestimmte Kinder los, nahm ihnen Sachen weg oder beschimpfte sie. Immer wieder muss ich in die Schule, weil er schon wieder etwas angestellt hat.

Mein Mann hält sich weitgehend heraus und so bleibt alles an mir hängen. Natürlich frage ich mich, warum Marius so ein Tyrann geworden ist. Was habe ich falsch gemacht? Mein Mann und ich sind beruflich sehr engagiert und selten zuhause. Aber wir haben eine reizende Nanny, die sich um Marius kümmert. Und er bekommt so viele Spielsachen, dass andere Kinder glücklich wären. Wenn ich dann zuhause bin, würde ich gerne mit ihm kuscheln, aber das will er nicht. Die Lehrerin hat uns geraten, einen Psychologen aufzusuchen. Doch mein Mann sagt, dass dieser „Psychoquatsch“ gar nichts bringt. Die ewigen Sorgen mit Marius belasten auch zunehmend unsere Ehe. Ich fühle mich völlig alleingelassen und überfordert. Vielleicht mache ich einmal eine Therapie für mich.

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