Gesundheit

Superpower Krabbeln

Als Physiotherapeutin und Mutter von 3 Kindern weiß ich um die Sorgen und auch Ängste, wenn es um die Gesundheit der eigenen Kinder geht. Viele Eltern fragen sich ob Krabbeln wichtig ist oder sie vergleichen Babys und Kinder miteinander. In meiner Praxis und auch von FreundInnen höre ich oft Sätze wie: „Mein Kind ist nie gekrabbelt“ oder „Mein Kind ist nur gerobbt und dann gleich gegangen, ist das normal?“

Hier kommt meine Antwort als Expertin: Krabbeln ist wichtig und gehört zur idealen motorischen Entwicklung dazu. Manche Babys lassen das Krabbeln jedoch aus. Sind sie dadurch schneller oder weiter, geschickter oder klüger? Nein! Nicht-Krabbeln bedeutet, dass ein wesentlicher Entwicklungsschritt ausgelassen wird.

Wozu Krabbeln?

Konzentration, Visuomotorik, Koordination, Sprache, Schreiben, Gehen – alles das hat mit Krabbeln zu tun. Krabbeln heißt Koordination vom Feinsten. Linker Arm mit rechtem Bein und umgekehrt, in Bewegung, schnell und koordiniert. Diese Koordination ist wesentlich um linke und rechte Gehirnhälfte miteinander zu verbinden und gleichzeitig zu aktivieren. Beim Krabbeln kommt Druck auf die Hände. Dadurch bekommt das Baby wichtige Informationen für seine Tiefensensibilität, was wieder für die Feinmotorik und die Stifthaltung beim Zeichnen wesentlich ist und dann später, in der Schule, auch für das Schreiben. Der Mensch ist ein „Kreuzgänger“, dabei schwingen rechter Arm und linkes Bein abwechselnd mit linkem Arm und rechtem Bein. Genau diese Fähigkeit wird beim Krabbeln gelernt, sie ist essentiell für den aufrechten Gang.

Meilensteine der Entwicklung

Krabbeln ist als Bewegungsmuster in jedem Baby von Geburt an abgespeichert. Diese Bewegungsmuster werden wie auf Autopilot automatisch zum richtigen Zeitpunkt aktiviert oder „freigeschaltet“. Dann können sie abgerufen werden und das Baby ist bereit für den nächsten Entwicklungsschritt. Bevor „Krabbeln“ als Bewegungsmuster vom zentralen Nervensystem „freigeschaltet“ wird, wird das Überkreuzen und die Hand-Auge-Koordination, die sogenannte Visuomotorik im Liegen geübt. Etwa mit dem Greifen über die Körpermitte, was genauso wie das Krabbeln später für das Schreiben ganz wichtig ist. Mit circa 4–5 Monaten entdecken Babys ihre Füße. Beide Hände greifen dabei zu einem Fuß und alle Zehen werden mit Hingabe abgelutscht. Wieder eine Überkreuzbewegung!

Idealerweise sollten alle Babys ab dem 8. Lebensmonat, spätestens mit dem 10. Lebensmonat zu krabbeln beginnen. Je länger sie krabbeln bevor sie zum Stehen und Gehen kommen, desto besser. Viele Eltern glauben ihr Kind muss mit 12 Monaten gehen können. Im Gegenteil, Babys, die lange gekrabbelt sind, sind oft geschickter und sicherer auf zwei Beinen unterwegs als „FrühgeherInnen“. Kleinkinder haben für das freie Gehen bis sie 18 Monate alt sind Zeit.

Kinder, die nicht gekrabbelt sind, haben später oft Probleme bei Überkreuzbewegungen, die sie im Alltag brauchen. Leider werden diese Probleme oft sehr spät, nämlich erst nach dem Schuleintritt festgestellt, wenn sie sich schon zu Visuomotorischen Störungen ausgewachsen haben. Die betroffenen Kinder fallen durch Lernschwächen auf, sie haben auch oft Probleme mit dem Abschreiben von der Tafel. Warum? Beim Schreiben brauchen wir die Visuomotorik kombiniert mit Überkreuzbewegungen. Die rechte Hand muss über die Körpermitte gekreuzt werden, nach links oben zum Rand des Blattes. Geht das nicht, muss das der ganze Körper kompensieren. Wie sieht das aus? Diese Kinder sitzen komplett „verbogen“, unökonomisch und verspannt. Sie können beim Schreiben nicht gerade auf dem Sessel sitzen, sie setzen sich schräg hin, oft sitzen sie auf einem Bein unterschlagen. „Sitz doch gerade!“, diesen Satz kennen viele! Es bringt jedoch nichts Kinder permanent daran zu erinnern. Sie können es nicht, oder nur für kurze Zeit, bevor der Körper sich wieder ganz automatisch „verzieht“. Man kann sich vorstellen wie viel Kraft und Konzentration diese „Schiefsitzer“ brauchen um einfach nur zu sitzen, geschweige denn Haus- oder Schulübungen zu machen, oder „still“ zu sitzen.

Babys brauchen zur Erkundung der Welt den Tastsinn. Eltern sollten also dicke Socken, Strumpfhosen oder Schuhe entfernen.

Was können Eltern tun? Meine Tipps:

Gesunde Bewegungsentwicklung beginnt bei 0!
Babys nehmen sich und die Welt sehr intensiv und mit allen Sinnen wahr, besonders wichtig ist der Tastsinn. Hände, Füße, Mund, alles wird eingesetzt um die Welt zu „begreifen“. So entwickeln Babys eine gesunde Körperwahrnehmung. Die wiederum ist die Grundlage für eine gute und gezielte Ansteuerung von Bewegung. Die sogenannte Sensomotorik. Also weg mit dicken Socken, Strumpfhosen oder Schuhen! Zehen können sich am besten barfuß bewegen, gespreizt, gebeugt und gestreckt werden, einzeln oder gemeinsam. Ein super „360 Grad-Grip“ macht Freude beim Robben, Sitzen und Krabbeln! Rutschsocken können einem nackten Fuß nicht das Wasser reichen. Abgesehen von den Nachteilen für die Körperwahrnehmung und damit auch Ansteuerung der Bewegung, sie verrutschen bei aktiven Kindern permanent und müssen immer wieder nachjustiert werden. Eine lästige Sache, nicht nur für die Eltern! Außerdem, wer hat schon gerne die Fusseln einer Wollstrumpfhose im Mund?

Je freier sich Babys bewegen dürfen, desto besser.
Langes Verweilen in Wippen, Babyschalen, Tragetüchern oder Hochstühlen ist hinderlich für eine gesunde Entwicklung und auch für das Krabbeln. Auch wenn manche Babys diese aufrechte Position sehr mögen, ist sie nicht förderlich für die Bewegungsentwicklung. Zusätzlich kann die aufrechte Haltung noch nicht ausreichend von den Muskeln stabilisiert werden, was bedeutet, dass Haltungsschäden entstehen können. Babys sollen sich altersentsprechend und vielfältig bewegen können. Geben Sie ihrem Baby die Chance sich auszubewegen und mit der Schwerkraft zu spielen!

Schulkinder
Ich habe selber einen „Schiefsitzer“ zu Hause. Mein eigenes Kind war die Motivation meine Schulfit-Übungen zu entwickeln. Das Besondere daran ist ihre Wirkung auf das Gehirn. Das Geheimnis liegt in der Kreuzkoordination, das sind Bewegungen, die über die Körpermitte gehen. Diese Koordination ist wesentlich um linke und rechte Gehirnhälfte miteinander zu verbinden und gleichzeitig zu aktivieren. Beim Lernen, Schreiben, Rechnen, Sitzen wird immer nur ein Teil unseres Gehirns angesprochen, ein bestimmtes Hirnzentrum. Die anderen „schlafen“, meine Übungen heißen „Brainboosters“. Sie wecken diese „Schläfer“ auf und durchbluten zusätzlich das gesamte Gehirn. Plus: sie machen einfach Spaß! Kontakt: Praxis 2Balance, Physiotherapie und therapeutisches Yoga, www.2balance.at

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