Erziehung

Sagst du Baba!

Viele Kleinkinder werden von Erwachsenen regelmäßig dazu aufgefordert beim Verabschieden zu winken oder brav die Hand zu geben. Doch bringt es überhaupt etwas, Höflichkeit einzufordern, solange die Kinder es nicht von sich aus machen? Oder wie lernen Kinder, sich zu entschuldigen, zu grüßen oder danke zu sagen?

Wer kennt es nicht. Kaum sind die Kinder keine Babys mehr und imstande mit den Mitmenschen zu interagieren, geht es los. Bei Begrüßungen mit Freunden und Familie fühlen viele Eltern sich bemüßigt, die kleinen Arme ihrer Sprösslinge zu mitunter recht ungelenkem Winken zu bewegen. Das Kind schaut meist etwas unschlüssig in die andere Richtung und scheint auch mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Fordern Erwachsene ihre Kinder zur Höflichkeit auf, darf mit einem lappigen Händeschüttler oder einem verschämten Danke zu rechnen sein. Ein typisches „Wie sagt man?“ seitens der Großen soll die Situation hingegen immer dann retten, wenn es mit der Höflichkeit bei den Kleinen nicht so recht klappen will. Spätestens mit dem Fremdschämen beim Gegenüber drängt sich die Frage auf, warum man das ganze Benimm-Getue den Kindern überhaupt antut.

Alles höflich, oder was?

Was gilt eigentlich landläufig als höflich? Wie muss man sich verhalten? Wie darf man sich verhalten? Mit Höflichkeit ist eine Tugend gemeint, deren Folge eine rücksichtsvolle Verhaltensweise ist. Sie ist nichts anderes als eine Haltung der Anerkennung, die Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringt. Gemeint sind mit Höflichkeit letztendlich immer noch Anstand, Manieren und Benimmregeln. Gerade Grüßen, danke sagen oder sich entschuldigen gelten in großen Teilen der Welt als höflich. Nichtsdestotrotz haben sich die gesellschaftlichen Vorstellungen darüber, was höflich und was unhöflich ist, mit der Zeit gewandelt. Das hat viel damit zu tun, dass die gegenwärtige Gesellschaft viel mehr Gleichwertigkeit anstrebt und es heutzutage weniger klare Hierarchien gibt. Ein Beispiel dafür: Ältere Menschen haben früher per se als Autoritäten gegolten, denen man besonders respektvoll begegnen muss. Laut Experten existieren heutzutage jedenfalls unterschiedliche Vorstellungen darüber, wann ein „Danke“ oder eine Entschuldigung fällig ist. Neben dem, dass es verschiedene (akzeptierte) Möglichkeiten gibt, wie man sich bedankt, entschuldigt oder grüßt.

Warum Höflichkeit wichtig ist und wie man Kindern beibringt, höflich zu sein

Darüber sind sich Erziehungsexperten einig: Erstens trägt Höflichkeit dazu bei, gut miteinander auszukommen. Menschen sind freundlich zueinander, weil wir auf eine Wechselwirkung hoffen. Man will also selber auch freundlich behandelt werden. Und zweitens lassen sich gute Umgangsformen schon früh in der Kindererziehung vermitteln.

Wie Kinder Höflichkeit lernen? Erraten! Am besten über die Vorbildwirkung. Kinder orientieren sich nämlich an der Art und Weise, wie sich Eltern und Erziehungspersonal verhalten. Sie üben dieses Verhalten im Spiel und ahmen es nach. So lernen sie nicht nur Höflichkeit oder Anstand, sondern auch echt und liebevoll zu sein. Worte wie „danke“ und „bitte“ können die Kleinen dabei schon ganz früh lernen, wenn auch die Eltern authentische Umgangsformen in der Gesellschaft pflegen. Vom Zwingen hin zu gutem Benehmen raten Experten dezidiert ab. „Zwang bringt gar nichts. Dann geht es auch gar nicht um Höflichkeit, sondern um einen Erziehungsstil, der auf Drill und Gehorsam basiert“, meint Sandra Teml-Jetter. Statt ein Kind mit Befehlen zur Höflichkeit zu zwingen, plädiert die Familienberaterin dafür, dass Eltern ihrem Nachwuchs auf Augenhöhe begegnen sollten und Höflichkeit einfach vorleben. Das könne schon damit beginnen, dass sich zum Beispiel ein Elternteil beim anderen Elternteil für das feine Abendessen bedankt, sich liebevoll einen guten Morgen wünscht oder aufrichtig sagt, wenn einem etwas leid tut. Mit gegenseitiger Wertschätzung im Familienalltag also. Teml-Jetter warnt zudem davor, Kinder mittels Manipulation zu gutem Benehmen und höflichem Verhalten zu verhelfen. „Wenn du jetzt lieb und höflich bist, dann bekommst du nachher ein Eis – das bedeutet, dass das Kind lernt, Dinge unter gewissen Bedingungen zu tun, mit der Folge, dass die Kinder stets etwas einfordern und damit in diesen Situationen die Führung übernehmen“, so Teml-Jetter.

Ab welchem Alter sollten Kinder Höflichkeitsformen beherrschen?

Fakt ist: Manche Kinder übernehmen sie früher, andere später. Wahre Höflichkeit braucht schließlich Einfühlungsvermögen und Empathie, die Kleinkinder erst nach und nach entwickeln. Zwar können etwa bereits 18 Monate alte Kinder den Kummer anderer spüren. Aber laut Erziehungsexperten brauche es oft viele Jahre, bis Kinder in Bezug auf Höflichkeit zu individuellen Interaktionen fähig sind. Gesellschaftliche Konventionen können Kinder erst ab dem fortgeschrittenen Volksschulalter, also frühestens mit acht, wirklich verstehen und aktiv umsetzen. Abgesehen davon, dass viele Große sich mit ehrlichen Entschuldi- gungen oft schwer tun, würde es laut Teml-Jetter wenig Sinn machen, ein Kind zur Entschuldigung zu nötigen. „Der Sinn des Entschuldigens ist ja die Reue, damit man sich wieder verträgt – und die geht durch den Zwang verloren“. Durch Zwang lerne das Kind kein echtes Verständnis für Verletzungen oder Mitgefühl. Vielen Eltern würde es häufig auch weniger um echte Betroffenheit gehen, als vielmehr darum, wie sie selber als Erzieher vor anderen dastehen. „An der Art, wie Eltern mit dem Danke- und Entschuldigung-Sagen umgehen, wird häufig gemessen, ob die Eltern einen guten Erziehungs-Job machen oder nicht“, weiß Teml-Jetter. Doch Vorsicht: „Kinder haben eine sehr gute Sensorik dafür, ob bestimmte Gesten oder unser Entgegenkommen in Bezug auf andere Menschen von Herzen kommt oder ob oberflächliche Erwartungshaltungen dahinter stecken und wir selber bestimmte Gesten gar als reine, mitunter lästige Pflichterfüllung betrachten“. Gerade weil das Leben voller Regeln und Rahmenbedingungen ist, an die man sich halten muss, würden Eltern gut daran tun, nicht nur authentisch vorzuleben, wie wir uns in gewissen Situationen verhalten. Mindestens so wichtig sei auch das Vorleben dessen, dass Dinge sehr wohl hinterfragt werden dürfen. „Kinder sollen nämlich lernen, sich ihr eigenes Bild von einer Situation zu verschaffen und sich die eigene Würde und Eigenständigkeit zu bewahren, ohne blind irgendwelchen Anweisungen zu folgen“. Ihre Grenze findet Höflichkeit nicht umsonst definitiv bei der körperlichen Integrität. Kinder sollten wissen: „Mein Körper gehört mir“. Und zwar durchaus auch wenn es ums Händeschütteln oder BussiBussi geht. Ein Kind darf sich jedenfalls abwenden, die eigenen Grenzen ziehen und nein sagen, wenn es nicht auf den Schoss der Tante oder kein Bussi vom Opa haben will.

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